Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut
vernichten.«
»Ach, daraus läßt sich alles mögliche schließen, sei es, daß der Täter Maybrick oder dem Verlag oder de Witt eins auswischen wollte, oder vielleicht hatte er auch bloß einen abartigen Humor.«
»Peverell hat den Diebstahl nicht angezeigt?«
»Nein, Adam, der Verlag hat nicht auf unsere tapferen Freunde und Helfer gebaut. Ich will Sie ja nicht kränken, aber die Aufklärungsrate bei Einbruchsdiebstahl ist nicht gerade ein Ruhmesblatt für die Polizei. Die Verlagsleitung jedenfalls war der Ansicht, daß sie genauso viel erreichen, dafür aber beim Personal weniger Aufregung verursachen würden, wenn sie ihre Ermittlungen auf eigene Faust durchführten.«
»Ja, aber wer kam als Täter in Frage? Waren denn nicht alle Gesellschafter verdächtig?«
»Klar, das ist die Schwierigkeit. Damals wie heute ist keiner ganz entlastet. Ich nehme an, Etienne wird sich die alte Paukerregel zu eigen gemacht haben. Sie wissen schon: ›Wenn der Schuldige nach der Stunde vertrauensvoll in mein Arbeitszimmer kommt und die Prüfungsunterlagen abliefert, ist die Sache erledigte. Aber schon in der Schule hat der Trick nie funktioniert, und ich glaube kaum, daß Peverell mehr Erfolg damit hatte. Der Täter gehört ganz klar zum Haus, und die Belegschaft ist ja nicht groß, nur rund fünfundzwanzig Angestellte außer den fünf Gesellschaftern. Die meisten davon sind natürlich langjährige, vertrauenswürdige Mitarbeiter, und die wenigen Ausnahmen können, so heißt es, ein Alibi vorweisen.«
»Mit anderen Worten, das Rätsel ist nach wie vor ungelöst.«
»Genau wie im zweiten Fall. Im zweiten gravierenden Fall, sollte ich sagen, denn womöglich hat man dem Verlag noch andere, vergleichsweise harmlose Streiche gespielt, die sich aber vertuschen ließen. Diese zweite Sache nun betrifft Stilgoe, und es ist ein Glück, daß der Verlag sie bislang vor dem Alten hat geheimhalten können. Sonst hätte der wirklich noch Verfolgungswahn gekriegt. Also: Nachdem Stilgoe die Fahnen gelesen und mit seinem Lektor eine Reihe von Änderungen abgesprochen hatte, wurde das Manuskript verpackt und über Nacht am Empfang deponiert, wo es am nächsten Morgen von der Druckerei abgeholt werden sollte. Aber irgendwer öffnete heimlich das Paket und pfuschte mutwillig an den Fahnen herum; etliche Namen wurden ausgewechselt, die Interpunktion verändert, ein paar Sätze gestrichen. Zum Glück gerieten die Fahnen an einen intelligenten Drucker, dem einige der Änderungen spanisch vorkamen, weshalb er im Verlag anrief, um sich zu vergewissern. Den Gesellschaftern ist es, weiß der Himmel wie, gelungen, diesen Schabernack vor dem Großteil der Belegschaft im Innocent House – und vor allem auch vor Stilgoe – geheimzuhalten. Natürlich hätte es dem Ansehen des Verlags empfindlich geschadet, wenn da was durchgesickert wäre. Offenbar werden seither alle Pakete und Manuskripte über Nacht eingeschlossen, und bestimmt hat man auch sonst die Sicherheitsvorkehrungen verschärft.«
Dalgliesh fragte sich, ob der Täter es wohl darauf angelegt hatte, daß seine Streiche entdeckt wurden. Anscheinend waren es doch ziemlich durchsichtige Eulenspiegeleien gewesen. Dabei hätte es durchaus nicht allzu schwer sein dürfen, die Fahnen so zu verändern, daß dem Buch ernsthafter Schaden entstanden wäre, ohne daß der Drucker Verdacht geschöpft hätte. Seltsam war auch, daß der anonyme Briefschreiber den Streich mit Stilgoes Fahnen gar nicht erwähnte. Entweder hatte er nichts davon gewußt, womit die fünf Gesellschafter aus dem Schneider wären, oder der anonyme Briefschreiber wollte Stilgoe Angst einjagen, ihm aber keine Handhabe geben, sein Buch zurückzuziehen. Das Ganze war in der Tat ein reizvolles kleines Rätsel, aber keines, mit dem ein leitender Polizeibeamter seine Zeit verschwenden durfte.
Es wurde nicht weiter über Peverell Press gesprochen, bis Ackroyd und Dalgliesh in der Bibliothek ihren Kaffee nahmen. Da beugte Ackroyd sich plötzlich vor und fragte ein wenig besorgt: »Nun, wie steht’s? Darf ich Lord Stilgoe ausrichten, daß Sie versuchen werden, die Bedenken seiner Frau zu zerstreuen?«
»Bedaure, Conrad, aber die Antwort ist nein. Ich werde ihm schriftlich mitteilen, daß die Polizei in keinem der ihn betreffenden Fälle Grund hat, wegen strafbarer Handlungen zu ermitteln. Ich glaube freilich kaum, daß das viel helfen wird, wenn seine Frau so abergläubisch ist, aber das ist leider ihr Pech und ihr Problem.«
»Und was ist
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