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Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Titel: Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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sprach er es doch aus: »James liebt dich.«
    »Ja, das tut er wohl. Armer James. Gesagt hat er’s mir nicht, aber das ist ja auch nicht nötig, oder? Weißt du, ich glaube, ich hätte James lieben können, wenn Gerard nicht gewesen wäre. Dabei mag ich Gerard nicht einmal. Nein, ich hab’ ihn nie leiden können, nicht einmal in der Zeit, als ich schier verrückt nach ihm war. Das ist ja das Furchtbare am Sex, daß er ohne Liebe, ohne Zuneigung, ja sogar ohne Achtung auskommen kann. O ja, ich habe versucht, mir etwas vorzumachen. Wenn er gefühllos war, egoistisch oder grob, dann habe ich ihn in Schutz genommen, indem ich mir vor Augen hielt, wie überaus intelligent er doch sei, wie gutaussehend und amüsant, und was für ein wunderbarer Liebhaber. Und das alles war – nein, ist – er ja auch wirklich. Ich habe mir gesagt, daß man Gerard nicht nach den gleichen kleinlichen Maßstäben beurteilen dürfe wie andere Menschen. Und natürlich liebte ich ihn. Wer liebt, urteilt nicht. Aber jetzt hasse ich ihn. Ich habe vorher nicht gewußt, daß ich imstande bin, einen anderen Menschen wirklich zu hassen. Das ist schließlich etwas anderes, als ein Abstraktum zu hassen, sagen wir eine politische Richtung, eine Philosophie, ein soziales Unrecht. Dieser Haß ist so geballt, und ich spüre ihn so deutlich, daß mir regelrecht übel davon wird. Er ist das letzte, woran ich abends vor dem Einschlafen denke, und das erste, was mir einfällt, wenn ich morgens aufwache. Aber dieser Haß ist unrecht, eine Sünde. Er muß unrecht sein. Ich spüre, daß ich im Zustand der Todsünde lebe, doch es gibt keine Absolution für mich, weil ich nicht aufhören kann zu hassen.«
    Dauntsey sagte: »Ich denke zwar nicht in solchen Kategorien
– Sünde, Absolution, das bedeutet mir nichts –, aber Haß ist in der Tat gefährlich. Er behindert den Lauf der Gerechtigkeit.«
    »Ach, Gerechtigkeit! Davon habe ich mir noch nie viel versprochen. Aber der Haß hat mich so stumpfsinnig gemacht. Ich öde mich selber an. Und ich weiß, daß ich auch dich damit langweile, lieber Gabriel. Doch du bist der einzige, mit dem ich reden kann, und manchmal, an Tagen wie heute, habe ich das Gefühl, ich muß reden, um nicht den Verstand zu verlieren. Und du bist so klug, oder jedenfalls sagen das alle.«
    »Der Ruf ist leicht verdient«, sagte er trocken. »Man braucht bloß lange zu leben, wenig zu reden und noch weniger zu tun.«
    »Aber wenn du sprichst, lohnt es sich immer, dir zuzuhören. Gabriel, sag mir, was ich tun soll.«
    »Um von ihm loszukommen?«
    »Um diesen Schmerz loszuwerden.«
    »Dafür gibt’s die üblichen Hilfsmittel: Alkohol, Drogen, Selbstmord. Die beiden ersteren führen über kurz oder lang auch zum dritten, nur daß es langsamer geht, kostspieliger und demütigender ist. Ich würd’s also nicht empfehlen. Du könntest ihn auch ermorden, aber davon würde ich ebenfalls abraten. Mach es von mir aus in deiner Phantasie so raffiniert wie du magst, aber nicht in Wirklichkeit. Es sei denn, du willst zehn Jahre deines Lebens im Gefängnis verbringen.«
    »Könntest du das aushalten?« fragte sie.
    »Zehn Jahre nicht, nein. Drei würde ich vielleicht ertragen, aber auf keinen Fall mehr. Im übrigen gibt es bessere Mittel gegen Schmerz als den Tod, egal, ob es nun deiner oder seiner wäre. Du mußt dir einfach sagen, daß der Schmerz zum Leben gehört, daß Schmerz zu empfinden lebendig sein bedeutet. Ich beneide dich, weißt du. Wenn ich noch so intensiv leiden könnte wie du, dann wäre ich vielleicht immer noch ein Dichter. Du darfst dich nicht kleinmachen, Frances. Dein Wert als Mensch wird um keinen Deut geringer dadurch, daß ein einziger arroganter, gefühlloser Egozentriker dich nicht liebenswert findet. Du hast es doch nicht nötig, dich den Wertvorstellungen irgendeines Mannes zu unterwerfen, am allerwenigsten denen eines Mannes wie Gerard. Mach dir bewußt, daß er nur soviel Macht über dich haben kann, wie du ihm gibst. Entzieh ihm diese Macht, und der Schmerz wird vergehen. Du solltest auch bedenken, daß du nicht unbedingt an den Verlag gebunden bist, Frances. Und komm mir jetzt bloß nicht damit, daß es bei Peverell Press immer einen Peverell gegeben hat.«
    »Es stimmt aber. Seit 1792 ist das so, lange bevor die Familie nach Innocent House kam. Daddy hätte bestimmt nicht gewollt, daß die Tradition mit mir abbricht.«
    »Einer muß und wird der letzte sein. Solange dein Vater am Leben war, hattest du ihm gegenüber

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