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Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Titel: Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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Auspuffgasen erfüllt war. Das alles erklärte er ihr ganz geduldig, ja fast freundlich, als ob es ihm wichtig wäre, daß sie es auch verstand. Dann setzte er ihr noch auseinander, daß sie nach Meinung des Commanders für keinen der beiden Morde ein Alibi hatte. Die Polizei würde denken, sie hätte sich aus Angst vor Entdeckung oder aus Reue umgebracht.
    Und jetzt war er mit seiner Lektion zu Ende. Sie dachte: Ich werde nicht sterben. Ich werde nicht zulassen, daß er mich umbringt. Nein, ich werde nicht sterben, nicht hier, nicht so, auf diesem elenden Garagenboden herumgezerrt und gebeutelt wie ein Tier. Sie bot all ihre Willenskraft auf. Ich muß mich totstellen, dachte sie, muß so tun, als wäre ich ohnmächtig, schon halb hinüber. Wenn es mir gelingt, ihn zu überrumpeln, dann kann ich mich umdrehen und den Riemen zu fassen kriegen. Bestimmt kann ich ihn überwältigen, wenn es mir nur gelingt, auf die Füße zu kommen.
    Sie mobilisierte all ihre noch verbliebene Kraft für diesen entscheidenden Schachzug. Aber genau darauf hatte er gewartet, und er war bereit. Kaum daß sie sich rührte, wurde die Schlinge wieder straff gespannt, und diesmal lockerte sie sich nicht mehr.
    Er wartete, bis die entsetzlichen Zuckungen des Körpers endlich aufhörten und das letzte gurgelnde Wimmern verstummt war. Dann ließ er den Riemen fallen, beugte sich nieder und lauschte dem versiegenden Atem nach. Als alles still blieb, stand er auf, holte die Glühbirne aus der Tasche, reckte sich und schraubte sie wieder in die Fassung an der niedrigen Decke. Das Licht ging an, und er konnte bequem die Schlüssel aus ihrer Handtasche suchen, den Wagen aufschließen und das Ende des Gurtes ans Lenkrad binden. Seine behandschuhten Finger arbeiteten flink und sicher. Zum Schluß startete er den Motor. Ihr Leichnam lag ausgestreckt da, als ob sie sich mit Schwung aus der offenen Wagentür gestürzt hätte, wohl wissend, daß entweder die Schlinge um ihren Hals oder die tödlichen Auspuffgase ihr den Rest geben würden. Er wandte sich dem Ausgang zu. Und just in dem Moment hörte er die Schritte auf die Garagentür zukommen.

60
    Es war drei vor halb sieben. In Frances Peverells Wohnung läutete das Telefon. Sowie James ihren Namen sagte, wußte sie, daß etwas nicht in Ordnung war.
    »James, was ist los?« fragte sie ängstlich.
    »Rupert Farlow ist tot. Er ist vor einer Stunde in der Klinik gestorben.«
    »Ach, James, es tut mir furchtbar leid. Warst du bei ihm?«
    »Nein. Ray war dort. Er wollte niemanden bei sich haben, außer Ray. Aber es ist so merkwürdig, Frances. Als er noch hier lebte, da konnte ich das Haus fast nicht ertragen. Manchmal habe ich mich regelrecht davor gefürchtet, heimzukommen in dieses Durcheinander mit all den befremdlichen Gerüchen und den ewigen Störungen. Aber jetzt, wo er tot ist, wünsche ich mir plötzlich, es würde hier wieder genauso aussehen wie zu seiner Zeit. Ich hasse das Haus, so wie es jetzt ist – so schrecklich brav und bieder und langweilig, nichts weiter als ein Vorzeigeheim für jemanden, der innerlich längst abgestorben ist. Am liebsten würde ich alles kurz und klein schlagen.«
    »Würde es dir helfen, wenn ich rüberkomme?« fragte sie.
    »Ach, Frances, würdest du das tun?« Sie hörte die Erleichterung aus seiner Stimme heraus und freute sich. »Macht es dir auch bestimmt nicht zuviel Mühe?«
    »Aber nein, natürlich nicht. Ich komme gleich. Es ist erst kurz vor halb sieben, da hab’ ich vielleicht Glück, und Claudia ist noch im Verlag. Wenn ja, dann lass’ ich mich von ihr an der Bank of England absetzen und nehme von dort die U-Bahn. Das geht am schnellsten. Und sollte Claudia schon weg sein, dann rufe ich mir eben ein Taxi.«
    James war mit allem einverstanden, und sie legte auf. Es tat ihr leid um Rupert, den sie freilich nur ein einziges Mal getroffen hatte, als er, das mußte jetzt Jahre hersein, einmal nach Innocent House gekommen war. Und für Rupert selbst war dieser lang erwartete Tod, dem er in so klaglos ertragenem Schmerz entgegengesehen hatte, gewiß fast eine Erlösung gewesen. Aber James hatte sie gerufen, er brauchte sie, wollte sie bei sich haben. Sie war ganz außer sich vor Freude. Hastig riß sie Jacke und Schal von der Flurgarderobe, rannte die Treppe hinunter und auf die Innocent Lane hinaus. Aber die Tür von Innocent House war verschlossen, und durchs Fenster zum Empfang schien auch kein Licht mehr. Claudia war also schon fort. Frances lief hinaus auf

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