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Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Titel: Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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Anblick ihres Gesichts, empfunden. »Bedaure«, sagte er, »aber darüber darf ich im Moment noch keine Auskunft geben.«
    Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich auf dem Absatz um und ging. Er wartete, bis die Schritte verklungen waren, dann ging er hinaus und schloß die Tür zum Hauptarchiv ab. Er hätte beizeiten daran denken sollen, daß Dalgliesh verlangt hatte, diesen Eingang rund um die Uhr gegen unbefugtes Betreten zu sichern.

59
    Um fünf vor halb sieben schloß Claudia die Akten weg, an denen sie den Nachmittag über gearbeitet hatte, und ging nach oben, um sich die Hände zu waschen und ihren Mantel zu holen. Das Haus war hell erleuchtet. Seit Gerards Tod ertrug sie es nicht mehr, allein im Dunkeln zu sein. Und so erstrahlten denn jetzt die Pracht des illuminierten Deckengemäldes, die kunstvollen Holzschnitzereien und die farbigen Marmorsäulen im Schein von Kronleuchtern, Wandleuchten und der großen Kugellampen am Fuß der Treppe. Inspector Aaron konnte die Lichter löschen, wenn er nachher herunterkam. Nachträglich wünschte Claudia, sie hätte dem Impuls, ihn oben im kleinen Archiv aufzusuchen, nicht nachgegeben. Getan hatte sie es in der Hoffnung, ihn in einem Gespräch unter vier Augen vielleicht ein paar Informationen über den Fortgang der Ermittlungen zu entlocken und einen Anhaltspunkt dafür zu bekommen, wann der ganze Spuk denn wohl zu Ende sein würde. Aber der Gedanke war töricht, das Ergebnis demütigend gewesen. Sie existierte überhaupt nicht für ihn. Er sah in ihr nicht den Menschen, nicht die Frau, die auf einmal ganz allein dastand und Angst hatte, nicht zuletzt vor der drückenden Last unerwarteter und beschwerlicher Pflichten. Nein, für ihn wie für Dalgliesh und Kate Miskin war sie nur eine mutmaßliche Täterin, ja vielleicht sogar die Hauptverdächtige. Sie hätte gern gewußt, ob ein Mordfall immer alle, die darin verwickelt waren, derart entmenschlichte.
    Die meisten Angestellten parkten ihre Autos hinter dem verschlossenen Tor in der Innocent Passage. Claudia benutzte als einzige die Garage. Sie hatte eine Schwäche für ihren Porsche 911; der Wagen war inzwischen sieben Jahre alt, aber sie dachte gar nicht daran, ihn gegen einen neuen einzutauschen. Und weil sie so an ihm hing, ließ sie ihn nur ungern im Freien stehen. Jetzt schloß sie die Tür zu Nummer 10 auf, überquerte den schmalen Gang zwischen Haus und Garage und öffnete das Garagentor. Mit einer Hand tastete sie nach dem Lichtschalter und knipste ihn an. Es blieb dunkel; offenbar war die Birne kaputt. Und dann, während sie noch unschlüssig überlegte, was jetzt zu tun sei, hörte sie plötzlich leise Atemzüge und wußte schlagartig, daß irgendwo in der Dunkelheit jemand stand und wartete. Fast im gleichen Moment glitt die Lederschlinge über ihren Kopf und straffte sich um ihren Hals. Sie wurde heftig nach hinten gerissen, spürte den Aufprall, als sie auf den Beton hinschlug und fühlte, obwohl sie sekundenlang ganz benommen war, wie sie mit dem Hinterkopf über den harten Boden schrammte.
    Es war ein ziemlich langer Riemen. Entschlossen, sich zu wehren, versuchte sie, mit ausgestreckter Hand nach demjenigen zu greifen, der ihn hielt, aber jedesmal, wenn sie einen Ausfall machte, wurde die Schlinge noch straffer gezogen, und ihre Sinne taumelten durch einen Strudel von Schmerz und Angst in eine neuerliche kurze Ohnmacht. Wie ein sterbender Fisch an der Angel zappelte sie schwach am Ende des Gurts, indes ihre Füße auf dem rohen Beton vergeblich nach einem Halt tasteten.
    Und dann hörte sie seine Stimme. »Bleib ganz still liegen, Claudia, und hör mir zu. Solange du dich ruhig verhältst, wird dir nichts geschehen.«
    Sie gab den Kampf auf, und sofort ließ auch das schreckliche Würgen nach. Seine Stimme war ruhig und eindringlich. Sie hörte sich an, was er zu sagen hatte, und endlich fing ihr halb betäubtes Hirn an zu verstehen. Er belehrte sie darüber, daß sie sterben müsse, und warum.
    Sie wollte aufschreien, laut beteuern, daß das Ganze ein furchtbarer Irrtum und alles nicht wahr sei, aber ihre Stimme gehorchte ihr nicht, und sie wußte, daß sie nur dann am Leben bleiben würde, wenn sie sich mucksmäuschenstill verhielt. Er erläuterte gerade, daß es nach Selbstmord aussehen würde. Den Riemen würde man am blockierten Lenkrad ihres Wagens festgeknotet finden, und der Motor würde laufen. Sie wäre dann zwar schon tot, aber es sei wichtig, daß die Garage, wenn man sie fand, mit tödlichen

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