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Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Titel: Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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seine Schlüssel aus Gerards Büro geholt und nach oben geschafft, die Schlüssel auf den Tisch gelegt und die Jacke über die Stuhllehne gehängt. Natürlich konnte er den Staub auf Kaminsims und Fußboden nicht wieder herbeischaffen, aber hätte wirklich jemand die penible Sauberkeit im Raum bemerkt, wenn Etiennes Tod glaubhaft nach einem Unfall ausgesehen hätte?
    Und das Szenarium hätte für sich gesprochen. Etienne war ins Archiv gegangen, um eine Akte einzusehen, die ihn offenbar sehr interessierte. Anscheinend hatte er geraume Zeit oben arbeiten wollen, denn er hatte sein Jackett und die Schlüssel mitgebracht und das Gas angedreht. Beim Schließen des Oberlichts war ihm die Zugschnur gerissen. Wahrscheinlich hätte man den Leichnam entweder über dem Tisch zusammengesunken gefunden oder mit dem Gesicht nach unten am Boden, als ob er noch mit letzter Kraft versucht hätte, zum Ofen hinzukriechen. Rätselhaft wäre nur eines gewesen, nämlich warum Etienne nicht begriffen hatte, in welcher Gefahr er schwebte, und schleunigst die Tür öffnete. Aber zu den ersten Symptomen bei einer Kohlenmonoxydvergiftung gehörte nun einmal Desorientierung. Mit der Erklärung hätten sich die Ermittler vermutlich zufriedengegeben. Denn es hätte ja keine gebrochene Leichenstarre im Kinnbereich gegeben, keine Notwendigkeit, dem Toten den Schlangenkopf in den Mund zu stopfen. Nein, es wäre ein fast perfekter, ein geradezu mustergültiger Unfalltod gewesen.
    Doch dann hatte Dauntsey fürchterliches Pech gehabt. Der Überfall, die lange Wartezeit in der Ambulanz, die viel zu späte Heimkehr, all das hatte seinen vorbildlich ausgeklügelten Plan über den Haufen geworfen. Und als er endlich nach Hause kam, wartete Frances bereits auf ihn, und er mußte, obwohl er durch den Zusammenstoß mit den drei Gangstern körperlich arg geschwächt war, blitzschnell, ja überstürzt handeln. Aber sein Verstand funktionierte noch reibungslos. Also drehte er den Wasserhahn der Badewanne gerade so weit auf, daß die Wanne voll sein würde, wenn er von drüben zurückkam. Vermutlich hatte er sich auch rasch noch der Kleider entledigt und nur einen Morgenrock übergeworfen; jedenfalls wäre es von Vorteil gewesen, das überhitzte kleine Archiv praktisch nackt zu betreten. Und hinein mußte er noch einmal, und zwar noch in dieser Nacht. Denn nach dem Unfall wäre es höchst verdächtig, wenn ausgerechnet er am nächsten Morgen als erster in Innocent House erschiene. Aber es war unerläßlich, daß er das Tonband wieder an sich brachte, das belastende Tonband mit dem Mordgeständnis.
    Etienne hatte das Band abgehört; diese Genugtuung war Dauntsey immerhin zuteil geworden. Sein Opfer hatte gewußt, daß es verurteilt war, und warum. Aber Etienne hatte sich zum Schluß seinerseits einen brillanten kleinen Racheakt ausgedacht. Er wollte dafür sorgen, daß der entscheidende Beweis gegen seinen Mörder gefunden wurde, und hatte sich die kleine Kassette kurzerhand in den Mund gesteckt. Und dann, als sein Verstand schon nicht mehr klar arbeitete, war er offenbar auf die Idee verfallen, mit seinem Hemd die Gasflamme zu ersticken, weshalb er noch halbnackt über den Boden robbte, ehe er das Bewußtsein verlor. Wie lange mochte Dauntsey gebraucht haben, bis er das Tonband entdeckte? Offenbar nicht sehr lange. Aber er mußte die Leichenstarre der Kinnpartie brechen, um es wieder an sich zu bringen, und damit war der Plan, den Mord als Unfall zu tarnen, verdorben. Hatte er darum später der Polizei so geflissentlich in die Hände gearbeitet, von sich aus ihre Aufmerksamkeit auf das verschwundene Diktiergerät gelenkt, ja sie sogar eigens auf die verdächtig staubfreien Flächen hingewiesen? Fakten wie diese hätte die Spurensicherung über kurz oder lang ohnehin herausgebracht, da war es nur klug, sie als erster zu offenbaren. Dauntsey war so in Zeitnot gewesen, daß er Tisch und Stuhl nur hastig ins Zimmer zurückschaffen, aber nicht darauf achten konnte, sie wieder genau an ihren Platz zu rücken. Darum geriet der Tisch mit der falschen Seite an die Wand, so daß die Ablagekörbe verkehrt herum standen, und ein kleiner Schatten an der Wand verriet, daß der Tisch um etliche Zentimeter verschoben worden war. Und Etiennes Jackett nebst seinen Schlüsseln hatte er auch nicht mehr heraufholen können.
    Doch wie sollte er den klaffenden Mund seines Opfers kaschieren? Hissing Sid, das Verlagsmaskottchen, lieferte ihm den rettenden Einfall. Die Schlange war ja

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