Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Titel: Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
Vom Netzwerk:
bereits zur Hand, er brauchte also keine Zeit mit Suchen zu vergeuden. Alles, was er tun mußte, war, Etienne den samtenen Schlangenleib um den Hals zu wickeln und ihm den Kopf in den Mund schieben. Dauntsey hatte damit an die mutwilligen Streiche angeknüpft, unter denen Peverell seit Monaten zu leiden hatte, um die Polizei auf eine falsche Fährte zu locken, falls Etiennes Tod nicht als Selbstmord durchgehen sollte. Wahrscheinlich hatte er nicht geahnt, welch wichtige Rolle dieser Trick später in den Ermittlungen spielen würde.
    Als er das Haus wieder verlassen wollte, war ihm plötzlich Esme Carlings blau gebundenes Manuskript auf dem niedrigen Tisch am Empfang aufgefallen, und er hatte auch ihren Anschlag am Schwarzen Brett gesehen. Bestimmt hatte ihn diese Entdeckung im ersten Moment in Panik versetzt, doch ein Stratege wie Dauntsey hatte sich gewiß rasch wieder gefangen. Esme Carling hatte Innocent House aller Wahrscheinlichkeit nach bereits verlassen, als er Etienne nach oben bestellte. Vielleicht hatte Dauntsey einen Moment lang trotzdem erwogen, nachzusehen, es dann aber als zwecklos verworfen. Nein, die Carling hatte ganz offensichtlich Manuskript und Pamphlet hier deponiert, um ihre Entrüstung im ganzen Verlag publik zu machen. Jetzt kam es darauf an, ob sie der Polizei sagen würde, daß sie im Haus gewesen war, oder ob sie den Mund hielt. Dauntsey tippte eigentlich eher auf letzteres. Aber zur Vorsicht hatte er Manuskript und Schmähschrift doch lieber an sich genommen.
    Gabriel Dauntsey war ein Mörder, der vorausdachte, sogar so weit, daß er die Notwendigkeit eines zweiten, eines völlig unschuldigen Opfers gleich einkalkulierte.

63
    Frances verlor wiederholt für kurze Zeit das Bewußtsein, erinnerte sich, wenn sie zu sich kam, verschwommen an das, was geschehen war, und flüchtete, kaum daß ihr Verstand die grausame Wahrheit fassen wollte, entsetzt wieder in gnädiges Vergessen. Als sie endlich doch wieder ganz bei Bewußtsein war, lag sie die ersten paar Minuten vollkommen still und überdachte, kaum atmend, in winzig kleinen Schritten ihre Lage, als ob diese stufenweise Annäherung die Realität erträglicher machen könnte. Sie war noch am Leben. Sie lag, auf der Seite, am Boden eines Autos und hatte eine Decke über sich. Ihre Füße waren an den Knöcheln gefesselt, die Hände auf dem Rücken zusammengebunden. Im Mund hatte sie einen weichen Knebel, wahrscheinlich, so vermutete sie, war es ihr Seidenschal. Das Auto fuhr ziemlich ruckhaft, und einmal, als es anhielt, spürte sie die leichte Erschütterung, als die Bremse angezogen wurde. Offenbar standen sie an einer Verkehrsampel. Sie überlegte, ob es ihr durch Zappeln und Strampeln gelingen würde, die Decke abzuschütteln, mußte aber bald feststellen, daß sie mit ihren gefesselten Händen und Füßen nicht genug Bewegungsfreiheit hatte, um sich davon zu befreien. Doch zumindest gelang es ihr, den Rumpf heftig hin und herzu bewegen. Falls sie auf einer belebten Straße unterwegs waren, konnte es ja sein, daß ein anderer Autofahrer beim Überholen zufällig durchs Fenster sah und angesichts der beweglichen Decke stutzig wurde. Kaum, daß ihr der Einfall gekommen war, fuhr der Wagen wieder an und setzte in ruhigem Tempo seine Fahrt fort.
    Sie war noch am Leben. An diese Tatsache mußte sie sich klammern. Gabriel wollte sie vielleicht töten, aber warum hatte er es dann nicht getan, als sie ohnmächtig in der Garage lag? Da wäre es doch ganz leicht gewesen. Aus Barmherzigkeit hatte er sie gewiß nicht verschont. Oder hatte er etwa mit Gerard Erbarmen gezeigt, mit Esme Carling und Claudia? Nein, sie befand sich in der Gewalt eines Mörders. Das Wort pochte in ihrem Hirn und weckte jene panische Angst, die dämmernd auf der Lauer lag, seit sie das Bewußtsein wiedererlangt hatte. Und jetzt fiel diese Angst über sie her, primitiv und unkontrollierbar, eine niederschmetternde Sturzflut, die Verstand und Willenskraft lahmlegte. Sie wußte jetzt, warum er sie nicht schon in der Garage umgebracht hatte. Der Mord an Claudia sollte, genau wie die beiden anderen, als Unfall oder Selbstmord eingestuft werden. Dazu durften aber keine zwei Leichen in der Garage gefunden werden. Gabriel mußte auch sie loswerden, gewiß, aber auf andere Art. Was hatte er vor? Wollte er sie spurlos verschwinden lassen? Einen Mord inszenieren, den selbst Dalgliesh nicht würde aufklären können, weil nicht einmal eine Leiche vorhanden war? Frances erinnerte sich,

Weitere Kostenlose Bücher