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Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Titel: Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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Wo hätte er sich wohl sonst hinsetzen sollen? Was wollte James eigentlich? Kostbare Zeit damit vergeuden, daß alle fünf einander höflich den Vortritt ließen, daß sie darüber diskutierten, wer einen Platz mit Themseblick kriegen sollte und wer nicht und womöglich noch eine Art Reise nach Jerusalem ohne Musikbegleitung rings um den Tisch aufführten? Der Sessel mit den Armlehnen stand dem Geschäftsführer zu, und Geschäftsführer war nun einmal er, Gerard Etienne. Zu seinen Lebzeiten hatte Henry diesen Sessel und diesen Platz am Tisch innegehabt und gelegentlich, in einem seiner aufreizenden Momente stiller Einkehr, den Blick über den Fluß schweifen lassen, während die übrigen geduldig auf den Fortgang der Sitzung warteten. Aber Henry war tot. James konnte doch nicht im Ernst erwarten, daß der Stuhl wie eine Art Denkmal auf Dauer frei blieb, womöglich noch mit pietätvoller Schrifttafel auf dem Sitz.
    Er sah in dem Vorfall zum einen ein typisches Beispiel für James’ überentwickelte und maßlose Sensibilität, aber auch noch für etwas anderes, etwas, das ihn mehr verblüffte, an dem er freilich auch stärker interessiert war, da es ihn selbst betraf. Manchmal kam es ihm nämlich so vor, als unterscheide sich der Denkprozeß anderer Menschen so radikal von seinem eigenen, daß er und sie geradezu in verschiedenen Vernunftsregionen beheimatet waren. Tatsachen, an denen es für ihn nichts zu deuteln gab, wurden von seinen vier Partnern lang und breit überdacht und beraten, nur um dann am Ende, und auch da nur widerstrebend, doch akzeptiert zu werden. Sachdiskussionen wurden durch diffuse Gefühle und persönliche Rücksichtnahmen erschwert, die ihn ebenso belanglos wie unvernünftig dünkten. Zu einem Entschluß zu gelangen mußte für sie so ähnlich sein, wie mit einer frigiden Frau zum Orgasmus zu kommen, eine Leistung, die ein enervierendes Maß an Vorspiel und einen unverhältnismäßig hohen Energieaufwand erfordert. Hin und wieder hatte er schon erwogen, seine Mitgesellschafter mit diesem Vergleich zu konfrontieren, entschied dann aber, innerlich schmunzelnd, daß es wohl besser sei, wenn er den Scherz für sich behielt. Zumindest Frances würde ihn bestimmt nicht lustig finden. Dennoch würde heute vormittag wieder das gleiche alberne Spiel ablaufen. Sie standen vor einer harten, aber unausweichlichen Entscheidung: Entweder sie verkauften Innocent House und nutzten das Kapital zur Sanierung und Expansion des Verlages; oder sie einigten sich mit einem anderen Verlag auf eine Fusion, bei der zumindest der Name Peverell Press erhalten blieb; oder sie machten gleich zu. Die zweite Möglichkeit war dabei nur die langwierigere und schleppendere Variante der letzten, ein Weg, der mit demonstrativem Optimismus begann und unweigerlich in schmachvollem Untergang endete. Und er hatte keineswegs die Absicht, diesem ausgetretenen Pfad zu folgen. Nein, das Haus mußte verkauft werden. Frances mußte einsehen, sie alle mußten einsehen, daß beides zugleich – Innocent House erhalten und als unabhängiges Verlagshaus weiterbestehen – unmöglich war.
    Er stand vom Tisch auf und trat ans Fenster. Während er den Blick über die Themse schweifen ließ, versperrte ihm plötzlich und geräuschlos eine Jacht die Sicht. Das Boot fuhr so dicht vorbei, daß er einen Moment lang in ein erleuchtetes Bullauge sehen und in dem strahlend hellen Halbkreis den Kopf einer Frau erkennen konnte, zart wie eine Kamee und umrahmt von zwei milchweißen, emporgereckten Armen, wie sie sich eben mit den Fingern durch eine Aureole dunklen Haares fuhr. Er stellte sich vor, daß sich ihre Blicke in flüchtig überraschter Vertrautheit trafen, und überlegte kurz, aber ohne echte Neugier, wer wohl ihre Kabine teilte – Ehemann, Geliebter, Freund? – und was sie am Abend vorhatten. Er selbst hatte gar keine Pläne. Nach alter Gewohnheit arbeitete er Donnerstag abends länger. Lucinda würde er daher erst am Freitag anläßlich eines Konzerts in der Queen Elizabeth Hall am Südufer der Themse sehen. Anschließend war ein Abendessen in der Bombay Brasserie geplant, denn Lucinda hatte neuerdings eine Vorliebe für indische Küche bekundet. Der Gedanke an das Wochenende erregte ihn zwar nicht sonderlich, erfüllte ihn aber doch mit einer stillen Zufriedenheit. Einer von Lucindas Vorzügen war ihre Bestimmtheit. Frances hätte auf die Frage, wo sie gern dinieren würde, geantwortet: »Wo immer du willst, Darling«, und wenn das Essen

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