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Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Titel: Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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wucherten, als hätten sie ein Eigenleben, und vor allem mit der bellenden Sprechweise erfüllte er ganz das Klischee des aufbrausenden Stabsoffiziers. Seine Größe hätte hinderlich sein können in einem Beruf, wo man oft mit Leichen zu tun hatte, die in so ungünstigen Verstecken wie Gräben, Abwasserkanälen und Schränken oder auch in einem behelfsmäßigen Grab lagen, aber der schlaksige Körper konnte sich mit erstaunlicher Leichtigkeit selbst in die sperrigsten Winkel hineinwinden. Jetzt blickte Wardle sich im Zimmer um, konstatierte mißbilligend seine kahle Schlichtheit und die wenig verlockende Aufgabe, die ihn von seinem Mikroskop fortgelotst hatte; dann ließ er sich mit einem kummervollen Seufzer neben der Leiche nieder.
    »Ich weiß schon, Commander, Sie wollen die ungefähre Todeszeit wissen. Das ist ja immer die erste Frage nach dem obligaten: ›Ist er tot?‹ Und um es gleich vorwegzunehmen: Das ist er, jawohl. Auf dieses eine Faktum wenigstens können wir uns einigen. Körper kalt, Leichenstarre vollständig eingetreten. Mit einer interessanten Ausnahme, aber darauf kommen wir noch. Sieht aus, als sei er seit dreizehn bis fünfzehn Stunden tot. Zimmertemperatur für die Jahreszeit ungewöhnlich hoch. Ah, Sie haben schon gemessen? Zwanzig Grad, hm. Das und der Umstand, daß der Stoffwechsel wahrscheinlich zur Zeit des Todes stark aktiviert war, könnte den Eintritt der Leichenstarre verzögert haben. Die interessante kleine Anomalie haben Sie zweifellos schon diskutiert. Aber nichtsdestotrotz, berichten Sie, Commander, nur zu, berichten Sie. Oder vielleicht lieber Sie, Inspector. Ich sehe ja, daß Sie kaum noch an sich halten können.«
    Dalgliesh war halb und halb darauf gefaßt, daß er hinzufügen würde: »Wär’ ja auch zu schön, um wahr zu sein, wenn ihr mal die Hände von der Leiche lassen könntet!«, aber Wardle verkniff es sich. Der Commander gab Kate einen Wink, und sie übernahm die Antwort: »Der Kiefer ist locker. Die Leichenstarre beginnt aber im Gesicht, erfaßt Kiefer und Hals fünf bis sieben Stunden nach dem Tod und ist etwa zwölf Stunden nach dessen Eintritt voll ausgebildet. Umgekehrt weicht die Leichenstarre in etwa der gleichen Zeitspanne wieder aus dem Körper. In unserem Fall heißt das entweder, sie hat den Kieferbereich bereits verlassen, was den Zeitpunkt des Todes um circa sechs Stunden vorverlegen würde, oder der Mund des Toten wurde gewaltsam geöffnet. Ich würde mit ziemlicher Sicherheit auf letzteres tippen, denn die Gesichtsmuskeln sind noch starr.«
    Wardle bemerkte trocken: »Manchmal frage ich mich, Commander, warum Sie sich eigentlich noch die Mühe machen, einen Pathologen hinzuzuziehen.«
    Kate sprach unbeirrt weiter: »Daraus folgt, daß der Schlangenkopf nicht dem Sterbenden in den Mund gesteckt wurde, sondern erst nachträglich, als der Mann schon mindestens fünf bis sieben Stunden tot war. Ersticken kommt als Todesursache also nicht in Frage, jedenfalls nicht mittels der Schlange.«
    »Lage und Färbung des Leichnams deuten darauf hin«, ergänzte Dalgliesh, »daß er mit dem Gesicht nach unten gestorben ist und erst nachträglich auf den Rücken gedreht wurde. Es wäre interessant zu wissen, warum.«
    »Vielleicht«, mutmaßte Kate, »war es so leichter, die Schlange zu drapieren, vor allem, ihm ihren Kopf in den Mund zu stecken?«
    »Ja, vielleicht.«
    Dalgliesh sagte nichts mehr, solange Doc Wardle noch mit seiner Untersuchung beschäftigt war. Er hatte sich ohnehin schon weiter auf das Gebiet des Pathologen vorgewagt, als klug war. An der Todesursache bestand für ihn freilich kaum ein Zweifel, und er fragte sich, ob es nicht eher penetranter Eigensinn als Vorsicht war, was Wardle so lange damit hinterm Berg halten ließ. Schließlich war es für sie beide nicht der erste Fall von Kohlenmonoxydvergiftung. Die Leichenblässe, die stärker ausgeprägt war als gewöhnlich, weil das Blut sich langsamer verflüssigte, andererseits die partiell kirschrote Verfärbung der Haut, so leuchtend, als ob der Tote geschminkt wäre – das waren doch eindeutige, unmißverständliche Indizien.
    »Na, wie aus dem Lehrbuch, nicht?« feixte Wardle. »Ist wohl kaum nötig, einen forensischen Pathologen und einen Commander von der Met aufzubieten, um Kohlenmonoxyd zu diagnostizieren. Aber freuen wir uns nicht zu früh. Sowie ich ihn auf dem Tisch habe, sehen wir weiter. Dann können die Blutegel vom Labor ihm ihre Proben abzapfen und uns eine verläßliche Antwort

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