Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut
Meistens sind sie um zehn schon wieder fertig.«
»Und wer läßt Sie herein, Mrs. Demery? Oder haben Sie einen Schlüssel?«
»Nee. Der alte Mr. Etienne wollt’ mir ja immer einen geben, aber mir war das zuviel Verantwortung. Hab’ so schon zu viele Schlüssel in meinem Leben. Nee, mir sperrt eigentlich auch immer der George auf. Oder auch mal Mr. Dauntsey oder Miss Frances. Wer eben grade als erster da is’. Heut morgen waren Miss Peverell und Mr. Dauntsey noch nich’ da, aber George schon, und der hat mich dann auch reingelassen. Ich hab’ dann ganz piano hinten mit der Küche angefangen und bin soweit auch gut vorangekommen. Bis kurz vor neun, da taucht plötzlich dieser Lord Stilgoe auf und behauptet, er hat ’nen Termin bei Mr. Gerard.«
»Waren Sie denn um diese Zeit vorn am Empfang?«
»War ich, ja, rein zufällig. George und ich, wir ham ’n kleinen Schwatz gehalten. Dem Lord hat das gar nicht gepaßt, daß außer dem Portier und mir kein Mensch da war. George hat reihum alle Büros angeklingelt und versucht, Mr. Gerard zu finden. Er wollte Lord Stilgoe eben überreden, sich doch noch ’n Moment zu gedulden und am Empfang Platz zu nehmen, als Miss Etienne reinkommt. Sie hat George gefragt, ob Mr. Gerard in seinem Büro wär’, und George sagt, er hätt’ angerufen, aber es hätt’ sich keiner gemeldet. Da ist sie selber nachschauen gegangen, und Lord Stilgoe und ich, wir sind mit. Mr. Gerards Jackett hing über’m Stuhl, und der Stuhl war ein Stück vom Schreibtisch weggerückt, was schon ’n bißchen komisch war. Miss Etienne hat dann in der rechten Schublade nachgesehen, und da lagen auch richtig seine Schlüssel. Mr. Gerard legte sie immer da rein, wenn er im Büro war. Ist ’n ziemlich schwerer Bund, und er konnt’s nich’ leiden, wenn die Schlüssel ihm die Jackentasche ausgebeult ham. Miss Claudia hat gesagt: ›Er muß hier irgendwo sein. Vielleicht in Nummer 10 bei Mr. Bartrum.‹ Also wir zurück an den Empfang. Aber George hat gesagt, er hätt’ schon in Nummer 10 angerufen. Mr. Bartrum war da, aber er hatte Mr. Gerard auch nich’ gesehen, wohl aber seinen Jaguar. Mr. Gerard hat immer in der Innocent Passage geparkt, weil’s da angeblich sicherer is’. Und Miss Claudia sagt wieder: ›Dann muß er hier irgendwo sein. Ich glaube, wir sollten ihn suchen gehen.‹ Inzwischen war auch das erste Boot gekommen, und kurz danach Miss Frances und Mr. Dauntsey.«
»Hatten Sie den Eindruck, daß Miss Etienne sich um ihren Bruder ängstigte?«
»Mir kam’s eher so vor, als wüßt’ sie nich’, was sie davon halten soll. Ich hab’ dann zu ihr gesagt, also mit dem Erdgeschoß bin ich hinten schon fast durch, in der Küche kann er demnach nich’ sein. Darauf hat Miss Claudia so was gesagt wie, das wär’ ja auch kaum anzunehmen, daß er sich da aufhält, und dann is’ sie die Treppe rauf, und Miss Blackett und ich, wir sind mit.«
»Ach, daß Miss Blackett auch da war, haben Sie bisher noch gar nicht erwähnt.«
»Hab’ ich nich? Doch, doch, die kam mit dem ersten Boot. Aber stimmt schon, man übersieht sie leicht, jetzt, wo der alte Mr. Peverell tot ist. Na, jedenfalls, sie war da, auch wenn sie immer noch den Mantel anhatte, und sie is’ mit uns die Treppe rauf.«
»Sie haben sich zu dritt aufgemacht, um einen Mann zu suchen?«
»Tja, so war’s nun mal. Ich bin wohl eher aus Neugier mit. Nee, eigentlich war’s mehr so’n Instinkt, will ich mal sagen. Warum Miss Blackett mitging, weiß ich nich’. Das müssen Sie sie schon selber fragen. Miss Claudia hat gesagt: ›Wir fangen oben an zu suchen‹, und so ham’ wir’s dann auch gemacht.«
»Demnach ist sie gleich rauf ins Archiv gegangen?«
»Genau, und dann weiter in das kleine Zimmer dahinter. Die Zwischentür war nich’ abgeschlossen.«
»Wie hat sie sie aufgemacht, Mrs. Demery?«
»Was heißt, wie hat sie sie aufgemacht? Ganz normal, wie man eben ’ne Tür aufmacht.«
»Nein, ich meine, hat sie sie aufgerissen? Oder vorsichtig geöffnet? Kam sie Ihnen irgendwie ängstlich dabei vor?«
»Könnt’ ich nich’ sagen, nee. Und die Tür, die hat sie einfach aufgemacht, ganz normal. Ja, und da lag er dann. Auf’m Rücken, das Gesicht ganz rosig, mit dieser Schlange um den Hals und ihrem Kopf in seinen Mund. Die Augen hatte er offen, und die glotzten einen ganz starr an. Zum Fürchten war das! Also, ich hab’ ja sofort gesehen, daß er tot war, auch wenn er, wie gesagt, nie besser ausgesehen hat. Miss Claudia
Weitere Kostenlose Bücher