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Adams Erbe (German Edition)

Adams Erbe (German Edition)

Titel: Adams Erbe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Rosenfeld
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Ich erhob mein Glas mit dem falschen Wein.
    Der Alte senkte den Kopf. »Das Mädchen scheint sehr einsam zu sein.« Gedankenverloren betrachtete er die Adern auf seinen Händen, dann sah er mich an. »Einmal hat sie mir erzählt, dass sie zwei Freunde hatte, Lena und Anton, aber beide hätten sie verlassen.«
    »Anton bin ich, und Lena war ihre Schwester.« Der Hustensaft, oder was auch immer da in meinem Glas schwappte, entfaltete nun seine volle Bitterkeit.
    »Ich weiß. Lena ist hier in Warschau gestorben und Anton in Italien.«
    »Wer sagt, dass Anton tot ist?«
    »Das gnädige Fräulein.«
    »Woher hat sie das?«
    Anton Richter, der Rosenzüchter des Generalgouverneurs, forschte in Italien. Er war nicht tot.
    »Das weiß ich nicht.« Izydor holte Luft. »Aber Bernadette würde sich sicher freuen, von Anton zu hören.«
    Nachdem ich Herakles nach Hause gebracht hatte, machte ich mich auf die Suche nach Rafal. Er war der Einzige, der mir vielleicht erklären konnte, was es mit Antons italienischem Tod auf sich hatte. Ich fand den Hilfspolizisten in seiner Wohnung.
    »Ist was passiert? Ist was mit Herakles?«
    »Nein. Alles in Ordnung.«
    Rafals Augenbrauen senkten sich langsam wieder. Er seufzte erleichtert. »Sehen Sie, Adam, ich wollte nicht, dass…«
    »Deswegen bin ich nicht hier«, unterbrach ich ihn und nannte mein Anliegen.
    »Anton Richter musste sterben, damit niemand auf die Idee kommen konnte, ihn zu besuchen oder zurückzuholen«, erklärte mir Rafal. »Man hätte herausgefunden, dass er niemals nach Italien gefahren ist. Man hätte ihn gesucht. Und das, Adam, hätte die Aufmerksamkeit auf bestimmte Leute gelenkt, die Sie hierhergebracht haben. Unnötige Probleme.«
    Sie hatten wirklich an alles gedacht. Auf einmal kam ich mir schrecklich dumm vor. Etwas Schweres legte sich auf meine Lungenflügel. Ein Gedanke, der ganz langsam Gestalt annahm, drückte gegen meine Milz oder meine Nieren oder gegen alles gleichzeitig. Und dann wurden aus der Beklemmung Worte.
     »Was würde mit Anna passieren, wenn ich sterben würde?«, fragte ich.
    »Tun Sie es einfach nicht«, sagte Rafal tonlos.
    Ich musste lachen. »Aber was wäre, wenn…?«
    Der Hilfspolizist sah mich nicht an, und ich verstand. Nur ein lebender Adam konnte Abrahams Máme beschützen und bei ihr bleiben. Flucht oder Tod, es war einerlei.
    »Niemand hat Sie gezwungen, sich darauf einzulassen.« Rafal wollte meine Absolution, aber die bekam er nicht. Ich verließ den Polizisten, ohne mich zu verabschieden.
    In meiner Brust trug ich zwei Leben, meins und deins, Anna.
    Und dann, Anna, kam dieser grausame Frühling.
    Ich verlor meine Arbeit, denn Augusts Leute setzten die Konzerte im Ghetto auf ihre Verbotsliste. Warum? Ich weiß es nicht. Es ergab genauso wenig Sinn, wie einem toten Mädchen ins Gesicht zu pinkeln. Aber so war es nun mal.
    Eine Woche später erfuhr ich, dass Tadeusz, Janusz und die anderen nicht mehr in Kressendorf waren. Sie waren verraten worden. Einen von ihnen hatte man erschossen, aber Rafal, der mir die Nachricht überbrachte, wusste nicht, wen. Die anderen hatten fliehen können und waren untergetaucht.
    Ihre Enttarnung hatte keine direkten Folgen für meine Warschauer Existenz, doch es war immer ein beruhigendes Gefühl gewesen zu wissen, dass Tadeusz und Janusz dort draußen waren.
    So fing dieser Frühling an. Aber die verlorene Arbeit und die verschwundenen Polen waren nur der Auftakt, waren nichts verglichen mit dem, was folgen sollte.
    Es war ein Aprilabend. Rafal saß in Mendens Zimmer und klagte darüber, dass er noch keine neue Arbeit für mich gefunden hatte. Anscheinend gehörte das zu seinen Aufgaben. Dafür wurde er wohl bezahlt.
    Herakles hockte im Schrank, wie immer, wenn der Hilfspolizist bei uns auftauchte.
    »Dass Sie auch nichts können, Adam«, sagte er vorwurfsvoll.
    Frau Blemmer lachte einmal laut auf. »Und was können Sie, Rafal?«
    Er antwortete nicht, sondern holte ein dünnes Bündel Geldscheine aus seiner Hosentasche.
    »Es ist wenig. Im Moment haben wir Schwierigkeiten.«
    »Das heißt?«, fragte Menden, der sich bisher hinter einem Buch versteckt hatte.
    »Das heißt, dass wir mehr Leute als sonst kaufen müssen, damit das hierher gelangen kann.«
    So blieb er einen Moment lang stehen. Nur die Scheine in seiner linken Hand bewegten sich.
    »Rafal, warten Sie auf Applaus?«, fuhr Frau Blemmer ihn an. Es war, als ob man die Luft aus ihm herauslassen würde. Sein Körper erschlaffte, allein der

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