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Adams Erbe (German Edition)

Adams Erbe (German Edition)

Titel: Adams Erbe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Rosenfeld
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der Refrain dieses grausamen Frühlings.
    Ich hob den toten Kinderkörper auf. Blut tropfte auf meine Jacke. Einen Moment lang war ich mir sicher, dass er noch einmal seinen Kopf in den Nacken werfen würde, dass er noch einmal lachen und aufstampfen würde. Aber still und leicht lag er in meinen Armen.
    Hier endete die Geschichte von Herakles. Und Anna, ein kleiner Teil meines Herzens, das an dir hing, das immer noch an dir hängt, wird für immer auf dieser grauen Straße bleiben.
    Herakles’ Tod fraß sich in unsere Körper. Wir wurden krank, alle drei. Der Professor fing an zu husten. Er spuckte Blut und braune Bröckchen. Frau Blemmers Beine versagten ihren Dienst. Ihre Knie schwollen auf Nilpferdgröße an. Und ich bekam Schüttelfrost, der mich nächtelang erschauern ließ.
    Es war Rafal, der täglich zu uns kam und uns versorgte. Ein wenig Farbe war in sein Gesicht zurückgekehrt, aber er war immer noch blass.
    Wir dankten dem Hilfspolizisten nicht, aber wir duldeten seine Fürsorge, etwas anderes blieb uns auch nicht übrig. Rafal, der in mir seinen geneigtesten Zuhörer gefunden zu haben glaubte, wurde nicht müde, mir die Geschichte von Herakles’ letzten Minuten zu erzählen.
    »Geschmuggelt… Kontrolle… Schüsse… Schreie.« Und irgendwo zwischen diesen Wörtern hatte das Kind aufgehört zu atmen. Rafal kam, als es schon zu spät war. Alles, was er tun konnte, war, den Jungen hochzuheben und vor unser Haus zu legen.
    Der Polizist war ein geduldiger und freundlicher Krankenpfleger, aber manchmal beschlich mich das Gefühl, dass er auch kam, um nachzuschauen, ob ich noch lebte, ob Abrahams Pakt noch Bestand hatte. Vielleicht tue ich ihm unrecht. Vielleicht.
    Langsam erholte sich der Dreizimmerhaushalt. Eines Morgens fuhr Frau Blemmer den Professor an, er solle doch endlich mit diesem Geröchel aufhören, und Menden schnauzte kurzatmig zurück.
    An diesem Tag entließen wir Rafal aus seinen Pflegediensten und nahmen unser Leben wieder selbst in die Hand.
    Die Schmetterlinge flatterten noch immer wie von Sinnen durch das sommerliche Ghetto.
    Anna, wie soll ich erzählen, was dann geschah, was jetzt geschieht?
    Fangen wir an mit einem Juliabend. Anfang Juli. Der Professor und ich saßen in seinem Zimmer.
    »Adam«, sagte er wieder, »schreiben Sie von der Liebe.« Sein Blick fixierte den Schrank, in dem ein blauer Stoffzoo und eine Puppe vergeblich auf die Rückkehr ihres Beschützers warteten.
    Während der Jahre im besetzten Polen – nein, auch schon in Berlin, seit deinem Verschwinden, Anna – hatte ich beharrlich einen Traum geträumt. Ich würde dich wiedersehen. Es würde einen Ort geben, an dem wir einander gegenüberstehen könnten.
    Doch in dieser Sommernacht, als Herakles’ Schrank einen Schatten auf mich warf, ritzte sich der Gedanke, dass mein Körper diesen Ort vielleicht niemals erreichen würde, in meine Haut.
    Und so antwortete ich Menden mit einem »Vielleicht«, einem sehr aufrichtigen »Vielleicht«.
    Die Schmetterlinge verbreiteten Gerüchte. Es würde etwas geschehen, flüsterten sie.
    Aber weiter, Anna.
    Es klopfte an der Tür. Ein anderer Juliabend, ein paar Tage später.
     »Ich kann ihn heute nicht ertragen. Schmeißen Sie ihn raus, Adam«, sagte Abrahams Máme. Aber der Besucher war nicht Rafal, sondern Izydor Klein.
    Wir wanderten zusammen durch die heißen Straßen des Ghettos, und die braunen Flecken auf der Jacke meines Großvaters führten uns zu Herakles. Der Alte seufzte.
    »Bernadette weiß, dass Sie hier sind«, sagte er unvermittelt.
    »Woher? Was meinen Sie damit… Was?«
    Er hatte es ihr erzählt, nach und nach. Die ganze Geschichte, soweit er sie kannte. Ich wollte ihn prügeln, den Püppchenmacher. Ein süßer Geschmack breitete sich in meinem Mund aus. Zwergfeigen. Ich sah eine Armee von Wredens und Giesels, die das Ghetto stürmten, angeführt von einem Riesenbaby, das unentwegt lachte. Sie kamen, um mich zu steinigen. Ein Hilfspolizist würde meinen toten Körper finden. Und zwei Leben, Anna, wären dahin, meins und deins.
    »Sie wird es für sich behalten«, sagte Izydor rasch und holte einen zusammengefalteten Zettel aus seiner Hosentasche, nicht größer als ein Fingernagel.
    »Du fehlst mir«, stand dort in ordentlicher Mädchenhandschrift, als ich ihn geöffnet hatte.
    Ich folgte dem alten Mann in seine Wohnung. Er gab mir einen Stift und ein Stück Papier. Mein Gruß an Bernie, ebenso winzig wie der ihre, verschwand in einem Stück schwarzem Samt.

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