Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Adams Erbe (German Edition)

Adams Erbe (German Edition)

Titel: Adams Erbe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Rosenfeld
Vom Netzwerk:
aufgeregter Frauen durch die Wohnung raste. Sie liefen treppab, treppauf, kreischten ins Telefon. Die Sirenen des Krankenwagens heulten auf. Zwei Sanitäter und ein Arzt stürmten in die Bibliothek. Sie beugten sich zuerst über mich, weil ich noch immer auf dem Boden neben Opa lag. Lara Cohen schrie sie an, ehe sie ihren Fehler selbst bemerken konnten. Moses wurde auf eine Bahre geschnallt und bekam ein Sauerstoffgerät übergezogen. »Klack, klack, klack«, flüsterte er, bevor sein Gesicht unter der Maske verschwand. Oma stieg mit ihm in den Krankenwagen, Mama und ich folgten in einem Taxi.
    »Ich habe nichts getan. Er ist umgefallen. Er ist einfach umgefallen. Ich kann nichts dafür«, sagte ich.
    Meine Mutter streichelte mir übers Haar. »Natürlich kannst du nichts dafür.«
    Hinter einer Glasscheibe lag Moses, mit Schläuchen an irgendwelche Maschinen angeschlossen. Sieben Stunden später war er tot. Sie hat es nicht ausgesprochen, aber ich spürte, dass Lara Cohen mir die Schuld an Moses’ Tod gab. Vielleicht nicht die ganze, aber zumindest einen Teil. Meine Nase, meine Augen, mein Mund…
    Als wir zu Hause ankamen, war es gegen Mittag. Oma lief noch im Mantel die Wendeltreppe hoch und schloss den Dachboden ab. Den Schlüssel verstaute sie in einer alten Zuckerdose. »Wag dich nie wieder nach oben, Edward«, sagte sie, als sich unsere Blicke trafen.
    Mama fing an zu weinen, und dann weinte auch ich. Ich weinte um meinen Opa, um ein klackendes Tischbein, ich weinte um Winkie und die fünf Kaninchenbabys, ich weinte um den Kopf der Nöff und um Eduard Moss-Chopin, aber am meisten weinte ich um den Gott der Elefanten, um einen verlorenen Sonntag, den ersten des Monats. Mama und ich saßen apathisch in der Küche, während Oma ein Telefonat nach dem anderen führte. So verging der Nachmittag, und als die Sonne unterging, klingelte es an der Wohnungstür.
    Lara Cohen öffnete. Zigarettenrauch eilte ihm voraus. Blaue Schwaden verkündeten die Ankunft des Kings.
    Eine Woche später wurde aus meiner Mutter Magda Moss-Cohen. Und noch eine Woche darauf saßen wir in Jacks schwarzem Volvo, der bis obenhin vollgestopft war mit Halbedelsteinen und Fossilien, die gar keine echten Fossilien waren. Zwei Koffer waren alles, was Mama und ich aus unserem alten Leben mitnahmen.
    Oma fand es geschmacklos, dass Jack und Mama noch während der Schiwe-Zeit geheiratet hatten, aber das war der einzige freie Termin beim Standesamt gewesen. Um Lara Cohen ein wenig zu besänftigen, trug die Braut ein schwarzes Kleid, aber es trübte nicht das Lächeln meiner Mutter. Ich glaube, Oma war froh, uns loszuwerden, obwohl sie mehrmals erwähnte, dass sie Jack Moss für einen riesengroßen Aufschneider hielt, und dieser viel zu früh geschlossenen Ehe ein unglückliches Ende prophezeite.
    Der Volvo stand vor dem Haus. Oma begleitete uns nach unten. Ich umarmte sie, und meine Lippen, die ihre Wangen hatten treffen wollen, landeten auf ihrem Schwanenhals. »Jetzt kannst du ja alles verkaufen und nach England gehen«, sagte ich zum Abschied.
    Ich zuckte unter ihrem Blick zusammen. »Edward, du bist wirklich ein sehr dummer Junge.«
    Ich hatte keine Ahnung, womit ich diese barsche Bemerkung verdient hatte. »Dann tschüss, Oma, bis bald.« Ich drehte mich um und stieg als Erster ins Auto.
    Der Tod meines Opas, der Dachboden und Adams Schatten verloren mit jedem Kilometer, den wir uns von der Cohen-Wohnung entfernten, an Kontur. Wir brachen auf in ein neues Leben, und ich war überzeugt, wir würden mit dem schwarzen Volvo bis nach Amerika fahren. Es erschien mir als das einzig Logische. Vielleicht hatte meine Großmutter nicht ganz unrecht, als sie mich einen dummen Jungen nannte.
    Viele Stunden später erreichten wir unser Ziel. Der Ort hieß Taunusstein, in der Nähe von Wiesbaden. Jack parkte das Auto vor unserem neuen Zuhause: die Miniaturausgabe einer Burg, errichtet aus einer neuartigen Bausubstanz, deren Namen ich vergessen habe. Es fühlte sich an wie Pappmaché und gab einem das Gefühl, in einer Filmkulisse zu wohnen. Ich war hingerissen. Drinnen standen eine Handvoll Möbel: ein Tisch, zwei Stühle, vier Matratzen und jeweils ein Kleiderschrank in den beiden Schlafzimmern. Nach und nach schafften Mama und Jack noch ein paar Kleinigkeiten an, aber nie einen dritten Stuhl. In Taunusstein durfte ich meine Mahlzeiten auf dem Boden einnehmen. Ich war hingerissen.
    Dreimal in der Woche verkaufte Jack seine Fossilien und Halbedelsteine auf den

Weitere Kostenlose Bücher