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Adams Erbe (German Edition)

Adams Erbe (German Edition)

Titel: Adams Erbe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Rosenfeld
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Märkten der Umgebung. Meistens schwänzte ich an diesen Tagen die Schule und begleitete ihn. Jedes Mal rottete sich eine Horde Hausfrauen um unseren Stand zusammen, noch ehe wir alles aufgebaut hatten. Das lag nicht an dem Plunder, den wir anboten. Einige der Frauen benahmen sich wie regelrechte Groupies und folgten uns von einem Markt zum anderen.
    »Herr Moss, ich hätte gerne vier von diesen grünen Steinen.«
    »Nennen Sie mich doch bitte Jack«, sagte er mit seinem amerikanisch-irischen Akzent und lächelte, bis die Dame in Schweiß ausbrach und aus Verlegenheit drei Fischfossilien obendrein kaufte.
    Jack trug immer einen Anzug, und auch unsere Stammkundinnen sahen eher aus, als ob sie auf dem Weg zu einem Galaabend wären. Die Frauen versorgten uns den ganzen Tag mit Getränken und Kuchen. Und wenn Jack die Zigaretten ausgingen, dauerte es keine fünf Minuten, und eine seiner Verehrerinnen reichte ihm mit zitternder Hand ein neues Päckchen.
    Es war wie im Schlaraffenland. Manchmal sang Jack eines seiner traurigen irischen Lieder und verzauberte seine Herde, genau wie die Elefanten im Zoo. Bald gewöhnte er es sich an, den Frauen einen Kuss auf die Wange zu drücken, wenn sie etwas bei uns kauften. Das steigerte unseren Umsatz drastisch.
    »Oh, das hätte ich fast vergessen, ich brauche noch einen dieser roten Steine« wurde zu einem häufig gehörten Satz an unserem Stand, wobei Farbe und Anzahl der Steine variierten. Die treuesten Damen blieben, bis wir einpackten. In der einen Hand hielten sie eine Tüte voller Steine, mit der freien winkten sie unserem Auto hinterher. Jack fuhr ein paar Meter, hielt an, stieg noch einmal aus und verbeugte sich. Obwohl das Ganze bald ein vertrautes Ritual war, schien die Meute immer wieder aufs Neue überrascht, und begeisterte Freudenschreie blieben niemals aus.
    An einem verregneten Donnerstag sprang ein Mann vor den Volvo, als Jack das zweite Mal anfuhr. Der King bremste scharf, und der Mann landete auf unserer Kühlerhaube.
    »Sind Sie verletzt?« Jack sprang aus dem Wagen, ich hinterher. Wir halfen ihm wieder auf die Beine. »Ist Ihnen was passiert?«
    Der Mann zupfte seine Jacke zurecht und hielt uns eine große Tasche unter die Nase.
    »Sie sind also Jack Moss?« Er fletschte die Zähne.
    »Der bin ich.«
    Er öffnete die Tasche. »Gut, Jack, können Sie mir bitte sagen, was das ist?«
    »O ja. Das sind Schildkrötenfossilien.«
    »So, so.«
    »Ja. Vor vielen, vielen tausend Jahren hat sich eine Schildkröte auf diesen wunderschönen Stein gelegt, und das ist ihr Abdruck.«
    »Das war dann wohl eine ganze Schildkrötensippe, weil ich hier drinnen 124 Ihrer Fossilien habe.«
    »Das könnte so gewesen sein.« Jack lächelte.
    »Ich glaube eher, dass ich hier eine Tüte voll Mist habe, Jack. Und meine Frau bringt jede Woche noch ein bisschen mehr von diesem Mist mit nach Hause.«
    »Dann sammelt sie vielleicht Schildkrötenfossilien.«
    »Mist, meinen Sie. Mist für 12 Mark das Stück. Warum sollte jemand so was sammeln?«
    »Mein Herr, das ist ein Abdruck eines Geschöpfs, das schon seit unendlich langer Zeit tot ist. Aber es hat eine Spur hinterlassen. Es ist nicht vollkommen verschwunden. Darin liegt der Zauber dieser Steine.«
    Die fleischigen Wangen des Mannes wackelten vor Wut, er ballte seine Faust und ließ sie drohend in die Höhe schnellen. »Ich verbiete Ihnen, meiner Frau jemals wieder irgendetwas zu verkaufen, keine Fossilien und auch sonst nix, verstanden?«
    Jack lachte, nahm mich an der Hand, und wir stiegen wieder ins Auto. Der andere brüllte uns an und schleuderte den Beutel hinter uns her. Er traf sein Ziel. Der Volvo blieb allerdings unbeschädigt, nur die 124 Schildkrötenfossilien zerbrachen beim Aufprall.
    Der Mann hatte ebenso wenig für Märchen übrig wie meine Großmutter.
    Eigentlich hätten wir genug Geld haben müssen. Selbst der Großlieferant, der zweimal im Monat Nachschub brachte, betonte, dass er niemanden kannte, der so viel absetzte wie wir. Jack Moss verkaufte zu wahnsinnig hohen Preisen. Wir gaben niemals Rabatt und ließen uns auf keinen Handel ein.
    Aber Jacks Einnahmen verpufften mit atemberaubender Geschwindigkeit.
    Montags war immer der erfolgreichste Markttag. Die Damen kauften wie in Trance.
    »Das ist das Wochenende«, meinte Jack. »Erinnerst du dich an den Typen, der auf unsere Kühlerhaube gesprungen ist?«
    Ich nickte.
    »So einen haben die alle zu Hause sitzen. Unter der Woche sehen sie ihre Männer nur abends. Aber

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