Adams Erbe (German Edition)
gut es halt geht.« Er zog ein Foto aus der Tasche und legte es auf den Tisch.
»Habe ich Ihnen mitgebracht. Albert Speer, sein Architekt.«
»Was für ein schöner Mann«, rief Edda aus. »Schau ihn dir an.«
Wenn es einen Preis für den bestaussehenden Schergen gegeben hätte, Albert hätte ihn sicher gewonnen.
»Los, Adam.«
»Er ist scharfsinnig. Er gibt sich bescheiden, ist es aber nicht. Er wird es weit bringen, und man wird ihm alles verzeihen.«
Bussler kniff die Augen zusammen und betrachtete den schönen Speer.
»Hier, Maestro«, sagte ich, »sehen Sie die Unterlippe: gespielte Bescheidenheit.«
»Mmh, aha«, machte Bussler und nickte, als sähe er etwas.
Im nächsten Jahr besetzte Hitler das Rheinland, und Bussler kam mit zwei Flaschen Champagner zu uns. Er freute sich wie ein Kind, das sein verlorengeglaubtes Spielzeug wiedergefunden hat. Und er wurde nicht müde, mir zu sagen, wie selig mein toter Vater gewesen wäre, wenn er das hätte erleben dürfen.
»Tja, nur zu schade, dass der arme Max nicht hätte mitmachen dürfen«, sagte Edda. Aber unser Sturmbannführer war schon zu betrunken, um diese Spitze zu spüren.
Kurze Zeit später emigrierte mein Lehrer Strund in die Niederlande. Und die Frage »Was soll denn bloß aus Adam werden?« wurde brennender denn je. Wie ein Angeklagter stand ich vor dem Ofen. Mama und Kieler saßen auf dem Sofa, Edda auf dem Sessel, und Moses lehnte an der Wand, mit verschränkten Armen.
Kieler hielt eine langatmige Rede, der keiner folgen konnte, deren letzter Satz aber mich wie ein Faustschlag traf.
»…deshalb glaube ich, Adam ist ein wenig zurückgeblieben.«
Meine Mutter nickte eifrig und zwitscherte: »Ja, wahrscheinlich ist Adam wirklich zurückgeblieben, er ist auch nicht besonders groß für sein Alter.«
Und dann keiften alle durcheinander, bis man sich darauf einigte, dass ich irgendeinen Beruf erlernen sollte. Ich weiß nicht, warum, aber es brachte mich zum Weinen. Bevor ich Edda auf den Dachboden folgen konnte, hielt mich Moses fest.
»Adam, das ist doch kein Grund zum Weinen. Es ist wichtig, dass du was lernst. Du kannst doch nicht dein Leben lang von Oma abhängig sein. Willst du denn gar nicht frei sein?«
»Sie heißt Edda«, sagte ich und rannte ihr hinterher.
Ich trank das erste Glas Asbach meines Lebens, wischte mir die Tränen aus dem Gesicht und erzählte Frau Klingmann, was Moses mir gerade über das Freisein gesagt hatte.
»Da irrt sich dein Bruder gewaltig. Freiheit bedeutet nicht Unabhängigkeit. Man ist immer von irgendwem oder irgendwas abhängig. Freiheit bedeutet Furchtlosigkeit. Sich nicht zu fürchten ist die einzige Freiheit, die wir jemals erlangen können. Und jetzt trink, und weine nicht.«
»Ich will keinen Beruf, Edda.«
»Das ehrt dich, aber die da unten werden keine Ruhe geben. Ich verspreche dir, dass ich etwas Schönes für dich finde.«
Ich bekam ein Fahrrad und wurde der Gehilfe von Artur Marder, einem Rosenzüchter. Bussler und Edda verschafften mir diese Stelle, und an meinem Vorstellungstag begleiteten sie mich beide in Marders Reich. Ein riesiger Garten. Rosen, so weit das Auge reichte. Im hinteren Teil befanden sich ein Dutzend Gewächshäuser. Die Luft war durchtränkt von einem süßen Geruch, der mich fast irre machte. Das Tor zum Garten stand offen, und wir wanderten eine ganze Weile zwischen den Büschen umher, bis wir Artur Marder fanden. Er kniete in einem Beet und befestigte Papiertütchen an einem Strauch. Er hatte die hellblondesten Haare, die ich jemals gesehen hatte, sein Gesicht war über und über mit Sommersprossen gesprenkelt, und seine Augenbrauen waren so gut wie nicht vorhanden.
»Herr Marder?«
Artur Marder richtete sich auf. »Hallo, hallo. Guten Tag, Herr…«
»Bussler, Sturmbannführer Bussler.«
»Guten Tag«, sagte er noch einmal und wandte sich wieder seiner Arbeit zu.
Bussler hüstelte. »Herr Marder. Ich… ich bringe Ihnen Adam.«
»Adam? Sie bringen mir den Mann aus dem Paradies.« Er sah uns an, und doch schien er durch uns hindurchzusehen.
»Er kommt nicht direkt aus dem Paradies. Adam ist Ihr neuer Gehilfe.« Edda lächelte ihn aufmunternd an.
»Natürlich, ja, ja, Adam. Adam, der Gehilfe.« Er nickte. »Das ist die Mutter, und dahinten steht der Vater. Was denkst du, Adam?«
Ich hatte keine Ahnung, wovon Artur Marder sprach. »Ihr… Ihr Vater? Oder. Ich meine…«
»Im Herbst wissen wir mehr. Wenn es gelingt, dann werde ich sie ›Gudruns Erwachen‹
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