Adams Erbe (German Edition)
nennen. Gudrun ist meine Frau. Sie würde sich sicher sehr freuen. Nicht wahr?«
»Ja«, sagten Bussler und ich gleichzeitig.
»Und Sie, Frau…?«
»Klingmann.«
»Frau Klingmann, was glauben Sie?«
»Oh, Ihre Gattin wird entzückt sein.«
Artur Marder lächelte selig. »Sie ist eine anspruchsvolle Dame. Sehr anspruchsvoll, ja, ›Gudruns Erwachen‹, sie wird…«
»Wann soll Adam morgen anfangen?«, fragte Bussler ungeduldig.
»Wer?«
»Adam.«
»Ja, ja. Der Gehilfe aus dem Paradies.«
»Wann soll er morgen hier sein?«
»Soll ich das entscheiden?«
»Ja. Schließlich ist er Ihr Gehilfe, nicht wahr?« Der Sturmbannführer verdrehte die Augen.
Wir einigten uns auf eine Uhrzeit und verließen Marders Reich.
»Ist er verrückt?«, fragte ich meine Begleiter auf dem Rückweg.
»Ein wenig, aber hoch angesehen. Eine seiner Züchtungen wurde letzten Monat bei der Reichsgartenschau in Dresden ausgezeichnet, weil sie besonders lila oder blau oder was weiß ich war«, sagte Bussler.
Am nächsten Tag hatte Marder mich schon wieder vergessen, und ich musste ihm erneut erklären, wer ich war. Er führte mich durch die Gartenanlage und die Gewächshäuser und stellte mir jede Rose mit ihrem vollen Namen vor, als ob es sich um liebe Verwandte handeln würde. Nachdem wir den Rundgang beendet hatten, schlug er sich auf die Stirn und sagte: »Adam, ich habe eine großartige Idee. Es ist noch früh genug im Jahr. Versuch dein Glück. Such dir eine Muttersorte und eine Vatersorte aus.«
Wahllos zeigte ich auf eine gelbe und eine tiefrote Rose. Marder schien mit dieser Entscheidung einverstanden zu sein und klopfte mir auf die Schulter. In den nächsten Wochen trottete ich ihm wie ein Hündchen hinterher, während er hier etwas abschnitt, dort Pollenstaub verteilte und Papiertütchen befestigte. Und obwohl er jeden seiner Handgriffe kommentierte, blieb mir das Ganze ein Rätsel. Vielleicht war ich ja wirklich ein wenig zurückgeblieben.
»Im Herbst wissen wir mehr«, sagte er, als er das letzte Tütchen über eine meiner gelben Mütter gestülpt hatte.
Während in Berlin die Olympischen Sommerspiele stattfanden und die gesamte Parteispitze ihr hübschestes Lächeln aufsetzte, verbrachte ich meine Zeit in Marders Garten mit Nichtstun.
Manchmal fragte ich Artur, ob ich mich nicht irgendwie nützlich machen könnte. »Rede ein bisschen mit ihnen, das mögen sie, Sonne und ein paar freundliche Worte.«
»Klar.«
Ich fand ein schönes Stück Wiese hinter dem Geräteschuppen. Dort legte ich mich nieder und beschloss, dass ich mit meinem Beruf äußerst zufrieden sein konnte.
An einem strahlenden Augusttag, als ich auf meiner Wiese einen Stapel Zeitungen nach neuen Gesichtern durchblätterte, ertönte aus dem Schuppen ein wahnsinniger Lärm. Kurz darauf stand eine Frau vor mir. Sie hielt eine Harke in der linken Hand, hob den rechten Arm und brüllte: »Heil Hitler. Wer sind Sie?«
Es klang kein bisschen freundlich. Sie sah aus wie ein Kugelfisch oder zumindest so, wie ich mir immer einen Kugelfisch vorgestellt hatte, denn eigentlich hatte ich noch nie einen Kugelfisch gesehen. Sie hatte keinen Hals, und ihre Jungmädchenzöpfe wirkten grotesk, aus dem Jungmädchenalter war sie schon lange heraus. Ihr voluminöser Körper wurde von einem blauen Dirndl zusammengehalten. Der Rock ließ ihre Waden frei, die an zwei Baumstämme erinnerten. Und weil ich nicht schnell genug antwortete, schrie sie noch einmal: »Wer sind Sie?«
»Adam.«
»Und wo ist er?«
»Wer?«
»Mein Mann.«
»Sie meinen Herrn Marder?«
»Sag ich doch.« Ihre Nasenlöcher blähten sich furchteinflößend. Das war also Gudrun, die anspruchsvolle Dame. Bei dem Gedanken daran, dass eine zarte Rose ihren Namen erhalten sollte, konnte ich mir ein Lächeln nicht verkneifen.
»Was gibt’s da zu lachen?« Sie sprach noch immer so laut, als würden Lichtjahre zwischen uns liegen. Dann drehte sie sich um und marschierte los, in einem Schritt, der jedem General Eindruck gemacht hätte. Die Harke geschultert wie ein Gewehr, trampelte sie zwischen Hecken und Sträuchern hindurch und rief Marders Namen. Gottes Stimme hätte nicht allmächtiger klingen können. Das hellblonde Haar des Rosenzüchters, der in einem Beet kniete, leuchtete uns schon von weitem entgegen. Dann rannte sie los und ich ihr hinterher. Ohne ein Wort der Warnung schwang Gudrun die Harke. Fünf satte Schläge mit dem Stiel prasselten auf seinen Rücken nieder. Dann ließ sie das Gerät
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