Adams Erbe (German Edition)
Friseur, heute Morgen verhaftet hatte.
»Und warum?«
»Das frage ich Sie! Schließlich haben Sie ihn verhaftet.«
»Ich habe ihn nicht verhaftet.«
»Nicht Sie persönlich, aber Ihr dämlicher Verein.«
Erst als der Sturmbannführer uns versprach, alles zu tun, um Chaims Freilassung zu erwirken, erklärte sich Edda bereit, den Rückzug anzutreten.
»Schließlich schulde ich Ihnen noch einen Gefallen, Frau Klingmann.«
»Das ist kein Gefallen, Bussler, das ist Ihre verdammte Pflicht.«
Am Abend hatte sie ihren Friseur zurück. Bussler persönlich lieferte ihn auf Eddas Dachboden ab.
Luigi küsste die Hand meiner Großmutter und weinte auf eine sehr italienische Art, während der Sturmbannführer uns erzählte, dass man Chaim wegen Verdachts auf Spionagetätigkeit verhaftet hatte.
»Luigi ein Spion, das ist lächerlich Bussler, lächerlich.«
»Ein Jude mit einem merkwürdigen italienischen Akzent, der mehrere Male mit einem großen Koffer bei verdächtigen Personen gesichtet wurde. So einer Sache müssen wir nachgehen, liebe Frau Klingmann. Sicherheit. Das mögen Sie nun lächerlich finden oder nicht.«
»Was für verdächtige Personen denn?«
»Hupfis Freunde, ich habe ihnen nur die Haare geschnitten. Und mein Koffer mit Scheren und Kämmen und Kitteln. Ich habe nichts Falsches getan.«
Chaim verabschiedete sich und versprach Edda, gleich am nächsten Tag wiederzukommen, um sich ihrer Haare anzunehmen.
»Dann werde ich wohl auch gehen«, sagte Bussler kühl.
»Sturmbannführer, setzen Sie sich, und lassen Sie uns anstoßen, wie es sich für zwei Freunde gehört.«
Der Maestro setzte sich steif an den Tisch und bog seine Finger zurecht.
»Sind wir das denn, Frau Klingmann?«
»Sind wir was?«
»Freunde.«
»So gut wir können, nicht wahr?«, sagte sie und füllte die Gläser.
Das Jahr 1935 begann mit Luigis Verhaftung und endete mit den Nürnberger Gesetzen, die uns Juden zu Menschen zweiter Klasse degradierten. Und während Doktor Kieler in unserem Wohnzimmer von »Fassung bewahren« faselte und sich auf Gemeinplätzen wie »nach jedem Tief kommt auch ein Hoch« breitmachte, eröffnete Moses uns seine Israel-Pläne. Aber weder Mama noch Edda bezeigten auch nur das geringste Interesse an dem Land unserer Väter. Greti Cohen übernahm einfach Kielers Meinung: abwarten und ruhig bleiben.
»Was soll ich denn in Palästina?«, sagte Edda schroff. »Schafe hüten? Häuser bauen? Ich bin fast zweihundert Jahre alt, soll ich mich jetzt in einen Kibbuz setzen und beten?«
»Erst einmal müssen wir uns zusammenreißen«, warf Kieler ein.
»Herr Doktor, Sie reden einen Haufen Blech.«
Edda packte mich am Arm und zog mich auf den Dachboden. Sie nahm Hitlers Porträt von der Wand, legte es auf den Tisch und studierte es.
»Was hat er vor, Adam? Was denken wir über ihn?«
Hitler war die Sphinx unter unseren Nazis. Seine schwammigen Gesichtzüge schienen sich jeder Deutung zu entziehen. Wir hatten mittlerweile zumindest eine Theorie über den Führer aufgestellt. Wir waren uns sicher, dass er heimlich trank, obwohl immer behauptet wurde, dass er wie ein Asket lebte.
»August säuft, ich war mit einem Säufer verheiratet, ich weiß, wovon ich spreche. Der Itzige hat gesoffen, und Hitler säuft auch.«
Aber das machte die Sache nicht leichter, im Gegenteil. Bei einem Säufer wusste man nie so genau, was er als Nächstes tun würde. Bussler zitterte immer wie ein junges Kalb, wenn wir über Adolfs Alkoholproblem diskutierten.
»So was können Sie doch nicht über den Führer sagen, Frau Klingmann. Sie können doch nicht…«
»Bussler, langweilen Sie mich nicht.«
»Was hat er vor?«, fragte sie noch einmal. Von unten drang gedämpftes Stimmengewirr herauf. Kieler und Moses im Schlagabtausch und dazwischen das Piepen meiner Mutter.
Dann klingelte es an der Tür, und wenige Sekunden später stand Bussler im Zimmer.
»Herr Sturmbannführer.« Edda lächelte spöttisch.
»Frau Klingmann, das geht vorüber, das ist eine Laune…«
»Eine Laune? Nein, das sind Gesetze. Und jetzt kommen Sie mir bitte nicht wieder mit Ihrem bolschewistischen Weltjudentum. Ich verstehe Sie nicht, Bussler. Sie tragen diese Uniform mit so viel Stolz, und doch verbringen Sie Ihre gesamte freie Zeit bei uns. Wo stehen Sie, Herr SS -Sturmbannführer?«
Er senkte den Kopf. »So einfach ist das alles nicht.«
»Doch, meistens schon.«
»Ich glaube an den Führer. Ich glaube an die Idee. Aber trotzdem bin ich Ihr Freund, so
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