Adams Erbe (German Edition)
Feigling«, sagte ich.
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, einen Freund.«
Ich begleitete meine Großmutter morgens zum Bahnhof. Der Gedanke, dass ich sie vielleicht nicht wiedersehen könnte, versuchte sich irgendwo an meinem linken Lungenflügel festzukrallen. Edda Klingmann, die Gesichter lesen konnte, sah mir die rasselnde Angst an und berührte genau die Stelle, an der sie drückte.
»Fürchte dich nicht, Adam«, flüsterte sie in mein Ohr.
»Warum glaubst du, dass dir etwas passieren könnte?«
Sie lachte. »Ich bin eine alte Frau, vielleicht falle ich hin und breche mir das Genick.«
Adam Cohen, der Lehrling der Seherin, wusste, dass es eine Lüge war. Aber das musste er nicht laut aussprechen.
Der Zug fuhr ab, und zu wissen, dass Edda da drinnen und nicht auf ihrem Dachboden saß, machte die Luft ein wenig drückender und den Himmel ein wenig dunkler.
An diesem Tag pflanzte Artur die Kinder, deren Eltern ich vor fast zwei Jahren so gedankenlos vermählt hatte, in ein leeres Beet. »Wahrscheinlich werden sie im Sommer blühen, Adam.« Er wischte sich den Schweiß von der Stirn, und in seinen Augen funkelte eine irre Glückseligkeit.
Ich wollte mich gerade auf meine Wiese verziehen, da sah ich die Dreiergruppe auf uns zukommen. In der Mitte Gudrun, flankiert von zwei uniformierten Männern. Ich erkannte meinen Sturmbannführer sofort. Als sie vor uns zum Stehen kamen, schmetterte Gudrun ihr »Heil Hitler«, und wir anderen erwiderten den deutschen Gruß. Das Geschrei schreckte ein Amselpärchen aus seinem Nest auf, und schimpfend flüchteten die Vögel aus Marders sonst so friedlichem Reich.
Bussler lächelte unverbindlich und grüßte mich nicht einmal.
»Einen schönen Garten haben Sie«, sagte mein Sturmbannführer.
»Ja, nicht wahr, Herr…«
»Bussler. Sturmbannführer Bussler. Der liebe Möller hat in den höchsten Tönen von Ihrer Anlage gesprochen, und da ich mich sehr für die Rosenzucht interessiere, musste ich einfach einmal vorbeikommen. Und Sie sind?«, fragte er, an mich gewandt.
»Adam. Ich bin der Gehilfe.«
»Oh. Er ist viel mehr als das. Er vollbringt wahre Wunder. Das hier«, Artur deutete auf das Beet, »ist sein Werk. Im Sommer wissen wir mehr, nicht wahr? Aber wie sie gedeihen… Ein… ein… Wunder.« Dann erläuterte er geradezu rührend detailliert jeden Schritt ihrer Entwicklung.
Die zwei SS -Männer nickten, und Gudrun scharrte mit ihren Füßen im Dreck wie ein Stier kurz vor dem Angriff, während mein Herz sich vor dem Maestro verbeugte.
»Das ist sehr interessant. Vielleicht, wenn Sie erlauben, Herr Marder, dann würde ich gerne einmal wiederkommen und mehr hören«, sagte Bussler.
»Oh… ich, na ja…«
Und während Artur nach einer Antwort suchte, versicherte Gudrun dem Sturmbannführer, dass er stets willkommen sei, zu jeder Tages- und Nachtzeit, und dass seine Anwesenheit eine Auszeichnung und Freude wäre und das natürlich auch für den sehr verehrten Untersturmführer gelte.
Und dann verließen die drei unter einem fünffachen »Heil Hitler« unser Reich, in der gleichen Formation, in der sie gekommen waren.
Als ich abends nach Hause kam, zitierten Kieler und meine Mutter mich ins Wohnzimmer. Sie fragten betont beiläufig, aber selbst der zurückgebliebenste aller Söhne hätte augenblicklich ihr Vorhaben durchschaut. Kieler und Greti Cohen wollten Informationen über das Schweizer Geld.
Nach ein paar scheinheiligen Ausflüchten antwortete ich ihnen direkt auf die Frage, die sie mir nicht direkt zu stellen gewagt hatten. Doch sie wollten mir einfach nicht glauben, dass ich nichts wusste. Erst nachdem ich zum x-ten Mal meine Ahnungslosigkeit beteuert hatte, änderte Kieler den Kurs.
»Vielleicht sollten wir diesen Guldner sofort anrufen und um Aufklärung bitten, die Schweizer sind ja im Allgemeinen vernünftige Leute, im Gegensatz zu…« Aber er traute sich nicht, ihren Namen auszusprechen.
Edda Klingmann hatte wohlweislich nur mir Guldners Nummer anvertraut, was Kieler geradezu als Beleidigung empfand. Der Doktor redete sich in Rage.
Mein frommer Bruder kam herein. »Das reicht, Adam handelt nur nach Eddas Anweisungen«, sagte er zu Kieler, legte seinen Arm um mich und führte mich aus dem Zimmer. Vor Moses hatte der Doktor so etwas wie Respekt, jedenfalls hielt er ihn nicht für zurückgeblieben.
Ein gemeinsamer Feind kann Brücken schlagen. In den nächsten Tagen verbrachte ich so viel Zeit wie noch nie mit Moses. Und als er mich eines Abends
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