Adams Erbe (German Edition)
sie ist ja nicht hier.«
Fast fünf Wochen waren seit Eddas Abreise vergangen, und außer an den zionistischen Abenden, an denen ich Anna sah, dachte ich unaufhörlich an Frau Klingmann.
Ich erzählte Anna nichts von meinen Sorgen, denn in den wenigen halben Stunden, die ich allein mit ihr verbrachte, hatte ich nur einen Wunsch: Ich wollte Anna lachen sehen.
»Manchmal beneide ich dich, Adam«, sagte Anna, als ich sie wieder nach Hause begleitete.
»Warum denn das?«
»Ich beneide deine Leichtigkeit. Du scheinst nichts ernst zu nehmen.«
»Doch, ich nehme sehr vieles ernst.«
»Was denn?«
»Dich.«
Und dann lachte sie.
»Siehst du, Anna, und jetzt nimmst du mich nicht ernst.«
Ich wusste nie, was ich ihr war. Ein Clown? Ein Freund? Aber hast du nicht auch nach mir gesucht, Anna? Bin ich nicht auch dir begegnet, so wie du mir begegnet bist?
»Ich habe am Sonntag Geburtstag, willst du mit mir feiern?«, sagte sie so unvermittelt, dass ich schluckte.
»Ja, ja, ja… Nur du und ich oder…«
»Nur du und ich.«
»Was möchtest du denn machen?« Ich bemühte mich, ruhig zu bleiben, aber der bloße Gedanke daran, einen ganzen Tag allein mit Anna zu verbringen, versetzte mich in eine Aufregung, die ich bis zu diesem Abend nicht gekannt hatte.
»Denk dir was aus.«
Auf dem Heimweg fiel ich dreimal vom Fahrrad. Meine Knie und meine Ellbogen bluteten, aber ich konnte nicht aufhören zu lachen. Mein Hirn war ein schwammiges Weichteil und meine Beine so nutzlos wie Busslers Schwänzchen, biegsam, aber kraftlos.
Als ich unsere Wohnung betrat, schrie Greti Cohen vor Entsetzen. »Du blutest ja!«
Ihr Schrei sirrte in meinen Ohren, und dann hörte ich eine andere Stimme. Auf der Wendeltreppe stand Edda Klingmann, das Kleid so rot wie meine Knie, das Haar schwarz mit einem italienischen Blaustich und die Haut so blass wie feinstes Porzellan.
Ich rief ihren Namen, einmal, zweimal, und dann rannte ich die Treppe hoch und folgte ihr auf den Dachboden.
»Adam, was muss ich da von deinem Bruder hören. Bist du jetzt auch von Gott besessen?«
»Nein, nein. Sie heißt Anna.«
Edda trällerte ein paar Takte, drehte sich im Kreis und griff nach einer Flasche Asbach.
»Auf die Liebe, Adam, auf die Liebe.«
Unsere Gläser klirrten, eine Melodie, die immer ein Stückchen Heimat sein würde.
»Auf Anna. Auf die Liebe.«
»Ich weiß gar nicht, ob sie mich auch liebt.«
»Adam, und wenn schon? Du liebst. Hätte ich immer darauf gewartet, dass meine Liebe erwidert wird, auf wie viel Liebe hätte ich verzichten müssen? Du liebst. Auf die Liebe, Adam.«
Nachdem wir fast die ganze Flasche geleert hatten, fragte ich sie nach ihrer Reise.
»Oh, morgen, Adam. Morgen. Heute feiern wir die Liebe.«
Und Edda köpfte eine zweite Flasche.
»Bussler war da.«
»Wo?«
»Er hat mich bei Marder besucht.«
»Hat er das?«
»Ja.«
Eddas Augen glänzten. »Auf unsere Freunde, Adam«, sagte sie.
»Auf Bussler.«
Am nächsten Tag versammelten wir uns auf Eddas Dachboden. Die Familie und Kieler am Tisch: das gleiche Bild wie am Abend vor ihrer Abreise. Und als wäre unser Leben ein albernes Theaterstück, wechselte Greti wieder zweimal ihren Platz.
Dieses Mal spendierte Frau Klingmann der Verwandtschaft keinen Asbach, wahrscheinlich war das die erste Sparmaßnahme.
In einem Ton, der keine Unterbrechung duldete, erklärte uns meine Großmutter, dass sie die Wohnung verkauft habe und wir nun Mieter seien. Kieler rieb sich den Bauch, der anscheinend schmerzte, und schnaubte.
»Frau Klingmann, wie können Sie nur…«
»Herr Doktor, ich weiß genau, was ich tue. Ihr müsst mir vertrauen.«
»Und wer soll die Miete bezahlen?«, fragte Kieler.
»Offiziell Moses und Sie.«
Der Doktor schluckte. »Frau Klingmann, Sie wissen, wie es um meine finanzielle Lage bestellt ist…«
»Offiziell, lieber Kieler. Natürlich werde ich weiterhin für den Lebensunterhalt dieser Familie sorgen. Allerdings müssen wir den Gürtel zumindest eine Zeitlang enger schnallen. Offiziell, werte Familie, sind wir ab heute arme Leute, merkt euch das.«
Und nachdem Edda uns eingeschärft hatte, dass nichts von dem, was hier gesprochen wurde, nach außen getragen werden dürfe, löste sie unsere fröhliche Runde auf.
Ich blieb sitzen und seufzte wie ein alter Mann.
»Was, Adam?«
Und dann erzählte ich Edda von Annas Geburtstag und von meinem Wunsch, die Traurigkeit wenigstens an diesem Tag aus ihren Augen zu vertreiben.
Am Sonntag holte ich Anna schon
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