Adams Erbe (German Edition)
unseren Sturmbannführer.
»Was denkst du, Edda?«
»Ich denke, dass Lara vielleicht recht hat und es besser für euch wäre, zu gehen.«
»Und warum wäre es nicht besser für dich?«
»Adam, ich liebe das Leben, aber nicht um jeden Preis. Ich bin eine störrische alte Frau, ich kann Berlin nicht den Rücken kehren.«
»Wir würden dich aber niemals hier zurücklassen.«
»Ja, ja, ja«, sagte sie und schüttelte den Kopf, so wie es störrische, alte Frauen eben machen.
»Und Anna würde ich auch nicht hier zurücklassen.«
»Das verstehe ich. Auf die Liebe.«
Und unsere Gläser sangen ihr Lied.
Es klingelte unten an der Tür, und ich erkannte seine Schritte sofort. Er klopfte nicht an.
»Frau Klingmann«, sagte er mit zittriger Stimme und drückte seinen Kopf an ihren Busen. »Es ist alles gut, ja? Niemandem ist etwas passiert, oder?«
»Ja, ja, ja, Bussler. Und jetzt lassen Sie mich mal los, und trinken Sie mit uns.«
Der Maestro, der Uniformierte mit den schwarzen Handschuhen und den Spezialeinlagen, saß wieder an unserem Tisch.
Schnell hatte er die Schwänzchen um das Glas gewickelt und stürzte den Weinbrand herunter.
»Ich bin gekommen, um mich zu verabschieden. Ich werde für mindestens ein paar Monate in den Reichsgau Sudetenland versetzt.«
»Haben Sie was angestellt, Bussler? Bestraft Ihr Verein Sie?«
»Nein, im Gegenteil.«
Der Sturmbannführer wankte, als er aufstand, er war den Asbach wohl nicht mehr gewohnt.
»Frau Klingmann, auch wenn ich nicht in Berlin bin, meine Augen sind auf euch gerichtet.«
»Ist das eine Drohung, Bussler?«
»Nein, im Gegenteil.«
Ich wartete am Nachmittag vor der Schneiderei, aber der Laden war geschlossen. Ich konnte mir das nicht erklären, denn Annas Chefin war eine Arierin. Ich fragte alle Nachbarn, ob sie etwas wüssten oder ob sie mir zumindest den Namen der Inhaberin verraten könnten.
Ich wusste ja nicht einmal, wo du und deine arische Chefin wohnten, Anna.
Aber im November 1938 waren die Leute misstrauischer denn je. Keiner wollte oder konnte mir eine Antwort geben, und auch im Dezember und im Januar blieb es dunkel in der Werkstatt. Wohin sollte ich mich wenden? Bussler, der mir vielleicht hätte helfen können, war weit weg.
Während August und seine fleißigen Lakaien sich weitere Schikanen ausdachten, suchte ich nach dir, Anna.
Im Februar 1939 marschierte Edda Sara Klingmann, die einzige Person, die von meiner Liebe zu Anna wusste, mit mir zur Polizei und haute auf den Tisch. Sie behauptete, dass sie im November etwas in der Schneiderei abgegeben hätte.
»Und das Geschäft ist seitdem geschlossen. Also können Sie mir vielleicht sagen, was da los ist?«
»Ihr Name?«, fragte der Polizist ungerührt.
»Edda Sara Klingmann.«
»Sind Sie Jüdin?« Jetzt klang seine Stimme nicht mehr ungerührt, sondern herablassend.
Meine Großmutter lächelte. »Ich habe Ihnen doch gesagt, wie ich heiße, und wenn Sie mich jetzt fragen, ob ich Jüdin bin, berauben Sie den Namen, den Ihr Führer mir gegeben hat, jeglicher Funktion, nicht wahr?«
»Gut, Frau Klingmann, und was haben Sie dort abgegeben?«
»Mein Totenhemd. Und man weiß ja nie, ob man es nicht vielleicht schon am nächsten Tag benötigen wird.« Noch immer lächelte meine Großmutter.
»Gut, Frau Klingmann, warten Sie. Ich sehe nach, ob ich Ihnen helfen kann«, sagte er nun äußerst höflich.
Es dauerte eine Weile, bis er mit einer Akte zurückkam.
»Ich muss Sie leider enttäuschen, das Geschäft wird wohl vorläufig geschlossen bleiben.«
»Warum?«
Er zögerte, und ich war mir sicher, dass er uns anschreien und rausschmeißen würde, aber Edda Klingmann schien zu wissen, was sie tat.
»Frau Inge Kneip, die Inhaberin, ist verhaftet worden und…«
»Und was?«
»Verstorben… während der Haft verstorben.«
Es war ein Drahtseilakt. »Na ja«, sagte meine Großmutter schroff, als wäre ihr der Tod von Frau Kneip vollkommen egal, »wie dem auch sei. Gibt es denn keine Angestellten, die mir mein Hemd aushändigen könnten?«
Er durchblätterte seine Akte. »Nein, nicht dass ich wüsste.«
Jetzt kannte ich wenigstens ihren Namen.
Ich stand vor dem Haus, in dem Frau Kneip gelebt hatte, bis sie verhaftet wurde. Ihren Namen, den dritten in der zweiten Reihe, hatte man noch nicht vom Klingelbrett entfernt. Natürlich hoffte ich, so unwahrscheinlich es auch war, dass Anna dort sein würde. Niemand machte auf, aber die Haustür stand offen. Ich lief in die zweite Etage und
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