Adams Erbe (German Edition)
klopfte.
Nebenan ging die Tür auf.
»Die Inge haben sie weggebracht«, sagte ein alter Mann, der vorsichtig seinen Kopf aus der Nachbarswohnung streckte.
Inge Kneip war zwar arisch, aber eine Kommunistin gewesen. »Und mitten in der Nacht hat die Gestapo Frau Kneip mitgenommen und das entzückende Fräulein Guzlowski auch.«
»Welche Nacht?«
»Die Nacht.«
Und was habe ich dir geraten, Anna? Geh nicht aus dem Haus. Und als sie kamen und dich mitgenommen haben, was hast du da gedacht? Hast du da an meine Worte gedacht? Hast du gedacht…?
Edda drückte mir ein Glas Asbach in die Hand. »Gut«, sagte sie entschieden, »wir brauchen Bussler. Er hat im April Geburtstag. Wir werden ihm schreiben, so lange musst du dich gedulden, Adam.«
Anfang März starb Doktor Kieler. Eine Woche lang lag er mit schrecklichen Schmerzen im Krankenhaus. Erst nach seinem Tod stellte man fest, dass ein Stück seines Darms sich verknotet hatte.
Dieses Mal weinte Greti Cohen um den Bewohner des Zimmers, das einst meinem Vater gehört hatte. Sie weinte leise, aber unaufhörlich.
Kurze Zeit später nahm sich August die Rest-Tschechei, und Moses und Lara heirateten.
Noch im selben Monat begann die zielstrebige Lara Cohen, sich um unsere Ausreise zu kümmern, an der weder Edda noch Greti noch ich auch nur das geringste Interesse hatten.
Aber wir wussten alle drei, dass es Monate, wenn nicht Jahre dauern konnte, bis man die nötigen Papiere beisammenhatte, und ließen Lara freie Hand. Vielleicht hielten meine Mutter und ich auch nur deshalb unseren Mund, weil wir einer Diskussion mit Lara nicht gewachsen waren.
Am 8. April schickten Edda und ich folgendes Telegramm an Busslers Zentrale im Sudetenland:
Sehr geehrter Sturmbannführer Bussler,
Marders Rosenzucht sendet Ihnen zum Geburtstag die herzlichsten Grüße aus Berlin. Wir hoffen auf ein baldiges Wiedersehen.
Heil Hitler
gez. E. Asbach
»Er wird sich melden«, sagte Edda zuversichtlich.
Ich arbeitete noch immer in Marders Garten, aber ich kam spät und ging früh, was Artur entweder nicht bemerkte oder ihn nicht weiter störte.
Stundenlang fuhr ich mit dem Fahrrad durch die Straßen meiner Stadt, die mir jeden Tag ein bisschen fremder wurde. Ich strampelte die Wege ab, die einst zu Annas Leben gehört hatten. Manchmal verließ ich die bekannten Pfade und streifte planlos umher. Immer getrieben von der Hoffnung, Anna durch einen Zufall zu finden. Denn vielleicht, vielleicht…
Edda hielt es für besser, sich nicht bei der Polizei nach Annas Verbleib zu erkundigen, denn schon durch indiskrete Fragen konnte man Menschen in Schwierigkeiten bringen.
Der April endete ohne Nachricht von Bussler.
Anfang Mai kam Guldner aus der Schweiz. Er kam mit einem Koffer. Er kam zum letzten Mal.
Nachdem Guldner den Dachboden verlassen hatte, rief Edda die Familie nach oben: Moses, Lara, Mutter und mich.
Greti weinte leise, denn der Platz neben ihr war leer. Auf dem Tisch lagen 23 Bündel Geldscheine und eine Pappschachtel.
Edda öffnete die Schachtel: 12 Diamanten. Die Steine sahen aus wie abgeschnittene Daumenkuppen. Dicke Daumen. 12 dicke, funkelnde Daumen.
»Das war unsere Wohnung und alles andere«, sagte Edda.
»Das ist England«, erwiderte Lara.
Greti Cohen sah noch nicht einmal hin. Seit Kielers Ableben interessierten sie die Geschäfte ihrer Mutter nicht mehr. Eigentlich interessierte sie gar nichts mehr.
»Damit müssen wir auskommen, bis sich die Zeiten wieder ändern.« Edda klappte die Schachtel zu.
Endlich, Mitte Mai, lag eine Postkarte von Bussler in unserem Briefkasten:
Meine Lieben,
komme im Sommer nach Berlin. Vorher keine Möglichkeit, Euch zu sprechen.
Maestro
Sommer? Der Juni ist Sommer, der Juli ist Sommer, der August ist Sommer, und vielleicht ist auch der September Sommer. Welcher dieser Monate würde Busslers Sommer sein?
›Gudruns Erwachen‹ lag schon lange auf dem Komposthaufen, ohne jemals erwacht zu sein, während Annas Träume im Juni zum zweiten Mal blühten.
Sommer? Der Juli sollte es sein.
Das vertraute Poltern seiner Stiefel mit Spezialeinlagen kündigte ihn an. Unser Sturmbannführer hatte sich verändert. Nicht offensichtlich, nicht auf den ersten Blick. Aber nach zwei Gläsern von Eddas Heiltrank bemerkte ich, dass in seinen Augen etwas erloschen war.
»Gut, ich werde sehen, was ich herausfinden kann«, sagte er, nachdem ich ihm Annas Geschichte erzählt hatte.
»Wie lange wird es dauern?«
»Das kann ich nicht sagen.«
Es klang ein
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