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Adams Erbe (German Edition)

Adams Erbe (German Edition)

Titel: Adams Erbe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Rosenfeld
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Generalgouverneur der besetzten polnischen Gebiete gebracht hatte. »In seinem Garten.«
    Der Mann, der wie die dicken Engel auf unserem Ofen aussah, schien mir zuzulächeln, während der Sturmbannführer die Details unserer Reise erläuterte:
    Am 25. würden wir mit dem Zug nach Krakau fahren und dort eine Nacht in Busslers Dienstwohnung verbringen. Am nächsten Tag würden wir uns in das einige Kilometer entfernte Krzeszowice, zu Deutsch Kressendorf, begeben.
    Das Schloss Kressendorf hatte Putten-Frank zu seinem Wochenendhaus erkoren. Und in dem Garten dieses Schlosses sollte Anton Richter Rosen züchten.
    »Adam, ich suche nach ihr. Du wirst nicht durch Krakau laufen und an Türen klopfen, hörst du?«
    »Aber…«
    »Nein. Krakau ist… ist nicht Berlin.«
    »Aber…«
    »Adam, wenn irgendwer… dann sind wir beide tot.«
    »Aber…«
    »Nein. Nichts aber. Ich bringe dich nach Polen, wie ich es deiner Großmutter versprochen habe, doch da unten gelten meine Regeln. Und schwöre mir, jetzt und hier, bei allem, was dir heilig ist, dass du auf mich hören wirst.«
    Ich sah Edda an, und sie nickte.
    »Ich schwöre es, Herr Sturmbannführer.«
    Er stand auf und nahm meinen Koffer, den ich bereits gepackt hatte. Edda und ich geleiteten ihn bis zur Wohnungstür. Das Ehepaar Cohen war nicht zu Hause, und Greti weinte in dem Zimmer der Toten.
    »Bussler, jetzt sind wir quitt«, sagte Edda und lächelte.
    »Ich… ich wünschte es wäre so.«
    Damals wusste ich nicht, was er meinte. Heute glaube ich, seine Worte zu verstehen.
    »Wir sehen uns am Bahnhof, Anton Richter«, flüsterte er mir zu.
    In dreizehn Tagen würde Adam Israel Cohen einfach verschwinden.
    An einem der letzten Abende meines alten Lebens saß Moses allein am Küchentisch und lernte Englisch.
    Ich würde mich von meiner Mutter und meinem frommen Bruder nicht verabschieden können. Ich würde ohne ein Lebewohl gehen müssen. Was sie wohl denken würden, wenn Adam am 25.   Februar nicht nach Hause kam?
    Ich setzte mich neben ihn.
    »Du solltest dich auch ein wenig damit beschäftigen«, sagte er und trommelte mit seinen Fingern auf den Deckel des Wörterbuchs.
    »Moses, du wirst dafür sorgen, dass Edda und Mama nach England gehen, nicht wahr?«
    »Natürlich.«
    »Auch wenn sie sich weigern. Versprichst du mir das?«
    Er lachte. »Adam, du wirst es mit deinen eigenen Augen sehen, und zur Not tragen wir die beiden nach London.« Er streichelte mir über den Kopf. »Als ob Oma dir nicht folgen würde.«
    »Sie heißt Edda«, sagte ich so leise, dass er es nicht hören konnte.
    »Und wenn alle gehen, wird Mama sicher nicht darauf bestehen, hierzubleiben.«
    Die Nacht, bevor Anton Richter erwachen sollte, verbrachte ich auf dem Dachboden.
    Wie nimmt man Abschied von einer Dame mit blauschwarzen Haaren, die einen die Freiheit gelehrt hat? Wie sagt man adieu zu einer Frau in rotem Samt, die einen blutrünstigen Tyrannen in einen komischen Säufer verwandeln kann?
    Wie schaut man der Meisterin, die einen in der ehrwürdigen Kunst des Sehens unterwiesen hat, ein letztes Mal in die Augen?
    Soll man auf die Knie fallen? Soll man weinen? Soll man nach Worten suchen?
    Ich öffnete eine Flasche Asbach und füllte unsere Gläser. Jede andere Form des Abschieds hätte meine Großmutter gelangweilt.
    Während wir tranken, zerrissen wir Adam Israel Cohens Kennkarte und seinen Pass in viele kleine Fetzen und ließen sie in einem Aschenbecher in Flammen aufgehen.
    Dann stand Edda auf und holte eine elegante, leicht gefütterte Herrenjacke aus dem Schrank.
    »Adam, die hat dem Itzigen gehört. Sie wird dich beschützen, hüte sie wie dein Leben. Hörst du? Wie dein Leben.«
    Die Jacke sah aus wie neu und passte wie angegossen.
    Frau Klingmann und ich blieben bis zum Morgengrauen beisammen. Und Anna, ein kleiner Teil meines Herzens, das an dir hing, das immer noch an dir hängt, wird für immer auf diesem Dachboden bleiben.
    Am 25.   Februar verließ Anton Richter das Haus, in dem Adam Israel Cohen zwanzig Jahre lang zu Hause war.
    Anton trug dunkle Hosen, eine Herrenjacke und darüber einen schicken Ledermantel. Er sah jung aus für seine 24   Jahre. Seine Augen waren grün, und sein Oberlippenbart war einen Hauch dunkler als die hellbraunen Haare auf seinem Kopf.
    Bussler wartete mit meinem Koffer am Bahnhof und begrüßte Anton Richter mit einem beiläufigen »Heil Hitler«. Nicht so ein wildes Gebrüll, wie Gudrun Marder es zu veranstalten pflegte. Nein, den Arm nicht

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