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Adams Erbe (German Edition)

Adams Erbe (German Edition)

Titel: Adams Erbe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Rosenfeld
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beobachtete.
    »Wenn sie mich ansieht, dann ist für einen Moment… Es ist, als ob ich nichts… Nein, als ob ich übergroß wäre… zu groß, um mich selbst sehen zu können. Es gibt keinen Spiegel mehr, der mich fassen könnte. Es ist, als ob ich für einen Augenblick die ganze Welt in mir tragen würde. Kontinente, Berge, Meere und Flüsse, und Millionen Vögel, die in mir zum Himmel steigen.«
    Der Sturmbannführer sah mich mit zusammengekniffenen Augenbrauen an. »Vögel, die in dir zum Himmel steigen?«, fragte er skeptisch.
    »Bussler, ich kann es nicht besser erklären. Waren Sie denn noch nie verliebt?«
    Er senkte den Kopf. »Ja, ich… Wahrscheinlich war auch ich schon mal verliebt.«
    »Dann müssen Sie das doch zumindest ein bisschen verstehen?«
    »Aber woher weißt du, dass sich das alles lohnen wird. Ich meine, du riskierst dein Leben für dieses Mädchen.«
    »Was heißt lohnen wird? Es hat sich schon gelohnt. Für das, was ich gefühlt habe, für…«
    »Ja, ja. Die Vögel, die in dir hochsteigen.«
    »Genau, Bussler.«
    In dieser Nacht schlief ich kaum. Der Junge und sein Hündchen tanzten mit dir, Anna, durch die zwölf Zimmer der Sturmbannwohnung, und ein Drache mit schwarzen Handschuhen spielte ein trauriges Lied auf der Geige.
    Am Morgen frühstückten Bussler und ich in der Küche.
    »Anton, auf Schloss Kressendorf gibt es mehrere Gärtner, es sind Polen. Du wirst es nicht einfach haben, und du würdest dir einen Gefallen tun, wenn du diesen… diesen Schnurrbart abrasieren würdest. Wie dem auch sei. Eins noch: Traue niemandem, hörst du, niemandem. Den Deutschen nicht, den Polen nicht, niemandem.«
    »Gut. Wie werden Sie nach Anna suchen? Ich meine, ich bin wegen ihr hier…«
    »Wenn sie noch in Krakau ist, finde ich sie, das verspreche ich dir. Ab und zu werde ich dich in Kressendorf besuchen, aber du darfst mich nur im Notfall kontaktieren.«
    Und noch eine halbe Stunde lang erläuterte Bussler die für mich geltenden Verbote und Gebote. Eigentlich gab es nur Verbote.
    »Ich habe deiner Großmutter versprochen, dass du das hier überleben wirst, also hör auf mich.«
    »Wäre es nicht sicherer, in irgendeinem anderen Garten zu arbeiten und nicht bei dem Generalgouverneur persönlich?«
    »Nein, genau vor seiner Nase wirst du am wenigsten bemerkt. Der blinde Fleck, Ada… Anton.«
    Der Wagen wartete bereits vor der Haustür. Und als wir durch die Krakauer Straßen fuhren, sah ich zum ersten Mal Menschen mit Sternen. Aber ich wagte es im Beisein des Fahrers nicht, Bussler zu fragen, was es damit auf sich hatte.
    Kressendorf war ein kleines Städtchen. Wir hielten vor einem zwar schönen, aber eher schlichten Haus.
    »Das sieht gar nicht aus wie ein Schloss«, sagte ich, als der Chauffeur Busslers Tür öffnete.
    »Das ist auch kein Schloss. Hier wohnst du.«
    Meine Wohnung lag im zweiten Stock, fünf Zimmer, möbliert. Wenigstens hingen keine Familienfotos an den Wänden. Trotzdem fühlte ich mich wie ein Eindringling, wie ein Dieb.
    »Zufrieden, Herr Richter?«, fragte Bussler.
    Ich zuckte mit den Schultern.
    Auf der Kommode im Eingang lag ein Umschlag, adressiert an Herrn Anton Richter, Rosenzüchter, Schloss Kressendorf, Distrikt Krakau, GG. Darin Bezugsscheine für Lebensmittel, Zigaretten und Kleidung sowie mein erstes Monatsgehalt in Zloty. Ein Papier, das mich dazu berechtigte, Schloss Kressendorf zu betreten, ein zweiter Satz Wohnungsschlüssel und ein Zettel mit dem Vermerk, ich könne bei Herrn Kufner, dem Hauswart, in der ersten Etage mein Fahrrad abholen.
    Augusts Laden lief einwandfrei.
    In der Küche hatte jemand bereits ein paar Grundnahrungsmittel für den Rosenzüchter aus dem Reich angeschafft. Kaffee, ein Laib Brot, ein Sack Kartoffeln, Zucker, Konserven. Und eine Stange Zigaretten.
    Dann fuhr uns Busslers Wagen zum Schloss. Es war bitterkalt, und ich fragte mich, was um alles in der Welt ich bis zum Frühling anstellen sollte. Erwartete man irgendwelche Wunder von Anton Richter? Hatte man ihn kommen lassen, damit er in der Privatresidenz des Generalgouverneurs auch im Februar die Rosen zum Blühen brachte? Um den Polen mal zu zeigen, was man mit deutscher Gründlichkeit so erreichen kann?
    »Bussler, im Winter kann man keine Rosen züchten«, flüsterte ich dem Sturmbannführer ins Ohr.
    »Du wirst schon alles richtig machen«, sagte er und lächelte.
    Das Schloss im italienischen Stil und der dazugehörige Park erinnerten an ein Märchen. Nur die uniformierten Wachen

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