Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Adams Erbe (German Edition)

Adams Erbe (German Edition)

Titel: Adams Erbe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Rosenfeld
Vom Netzwerk:
beim SD, war er einigermaßen glimpflich davongekommen und nicht aus der SS ausgeschlossen worden. Der gehörnte Ehemann erklärte sich bereit, den Bastard als seine eigene Brut zu akzeptieren. Bubi wurde nach Prag versetzt, fern der heimatlichen Domstadt, um dem Mann und der schwangeren Frau das Vergessen zu erleichtern. Aber Unterscharführer Giesel erlaubte sich einen zweiten Fehltritt. Tschechische Zwillinge. Klara und Mara. Beide teilten mit Bubi das Bett. Er wurde von einem missgünstigen Kameraden auf frischer Tat ertappt und bei seinem Vorgesetzten angeschwärzt. Zu allem Übel stellte sich heraus, dass die Zwillinge eine Partisanengruppe unterstützt hatten. Wieder half der mächtige Onkel, aber noch einmal würde der Obersturmbannführer nicht für den ungezogenen Neffen in die Bresche springen. Kressendorf war Bubis letzte Chance, sich zu bewähren.
    »Was ist aus Klara und Mara geworden?«, fragte ich.
    »Erschossen. Wahrscheinlich.«
    Die Gleichgültigkeit in seiner Stimme ließ mich erschaudern.
    »Sie sahen aus wie zwei Puppen. Zwillinge, das kann einen verrückt machen. So hübsch, und dann gleich zwei.« Seine Augen glänzten ultraviolett bei dem Gedanken.
    »Konnte dein Onkel nichts für sie tun?«
    »Was meinst du?«
    »Verhindern, dass man sie erschießt?«
    Bubi lachte. »Sie haben mit den verdammten Partisanen unter einer Decke gesteckt.« Und mit dir, dachte ich. »Das muss bestraft werden«, sagte er ernst, und nach einer Atempause schloss er den Satz mit einem: »leider.«
    Nachdem Bubi mir ein paar Höhen und Tiefen seines Lebens offenbart hatte, wollte er auch etwas über Anton Richter erfahren. Also gab ich den von Bussler und mir erdichteten Lebenslauf meines arischen Ichs zum Besten: Anton Richters Vater war im Krieg gefallen und seine Mutter kurz nach seiner Geburt gestorben. Er war bei seiner Großmutter aufgewachsen. Schon als kleiner Junge wollte er Rosenzüchter werden, und sein Traum ging in Erfüllung.
    »Warum will man Rosen züchten?«, fragte Bubi.
    »Es ist… Es ist ein bisschen wie Gott sein… Du bestimmst Vater und Mutter und erschaffst etwas Neues.«
    Das schien der Unterscharführer zu verstehen.
    »Woher kennst du Bussi? Ich meine… Sturmbannführer Bussler?«
    »Aus Berlin. Er war mein Geigenlehrer, als ich noch ein Kind war.«
    »Er ist großartig«, sagte Giesel. »Nachsichtig, aber wenn es drauf ankommt: gnadenlos. Mein Onkel sagt, er ist einer unserer besten Männer.«
    Anton nickte und lächelte, während Adam versuchte, in seinem Sturmbannführer den gnadenlosen Bussi zu finden. Aber es wollte ihm einfach nicht gelingen.
    Unter dem Vorwand der Müdigkeit beendete ich den Abend, denn beide, Anton und Adam, sehnten sich auf einmal nach dem Alleinsein.
    So leise wie möglich schlich ich mich am nächsten Morgen samt Fahrrad die Treppen hinunter, bestrebt, weder Giesel über mir noch die Kufnerin unter mir aus ihren Wohnungen zu locken. Der Kohlgeruch, der sich in allen Winkeln des Gott-sei-Dank-deutschen-Hauses festgesetzt hatte, ließ meinen fast nüchternen Magen rebellieren. Der polnische Kaffee wollte hinaus, und so landete eine kleine Pfütze der braunen, mit jüdischer Säure durchtränkten Brühe direkt vor der Hauswartstür.
    Der kalte Ostwind schlug mir ins Gesicht. Rotz lief aus meiner Nase und gefror zu tränenförmigen Tropfen, die sich in meinem Oberlippenbart festsetzten.
    Die Wachmannschaft erkannte Anton Richter wieder und ließ mich passieren. Mit einer roten Nase und die Taschen voll Zigaretten, die mir helfen sollten, mich wenigstens ein bisschen beliebt zu machen, erreichte ich den Holzverschlag. Von draußen hörte ich die Stimmen und das Gelächter meiner polnischen Kollegen, aber als ich die Hütte betrat, verstummten sie.
    Der Ostwind war eine warme Brise im Vergleich zu der Kälte, die mir hier entgegenschlug.
    Die vier saßen im Halbkreis um einen eisernen Ofen.
    »Guten Morgen«, sagte ich leise.
    »Heil Hitler!«, antwortete Janusz. Sein ewiges Lächeln war verschwunden. Die anderen drei zogen langsam ihre Mützen vom Kopf.
    »Darf ich?«, fragte ich und deutete auf eine freie Kiste. Janusz nickte, und ich setzte mich zu ihnen.
    Nur das Knacken der Holzscheite durchbrach die Stille, die Wärme ließ die Eisperlen in meinem Schnurrbart schmelzen. Ich holte die Zigaretten heraus. Die anderen blickten zu Janusz. Er würde entscheiden, ob man meine traurige Gabe annehmen sollte oder nicht. Erst als er sich eine Zigarette anzündete, griffen

Weitere Kostenlose Bücher