Adams Erbe (German Edition)
energischer ich versuchte, sie zu beruhigen, desto stärker geriet sie in Panik. Ich dachte an die Kufnerin unter mir und den Onkel des Unterscharführers über mir und hielt Rosa kurzentschlossen den Mund zu. Ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen, als meine Hand auf ihren Lippen lag. »Nix umbringen…«, keuchte sie.
»Rosa, du musst leise sein, verdammt noch mal. Was ist denn passiert?«
Ich ließ sie los, sie atmete dreimal tief ein und aus.
»Ich wollen nach Hause«, sagte sie erschöpft.
»Dann zieh dich an, und schleich dich raus.«
Rosa fing wieder an zu zittern, und Tränen liefen über ihre Wangen. »Ich nichts dürfen, weil… weil, dann die SS macht bum.« Ihre Finger formten eine Pistole und zielten gegen ihre Schläfe.
»Wer sagt das?«
»Bubchen.« Ihre Stimme überschlug sich.
Und dann erzählte Rosa mir endlich, was geschehen war. Bubi hatte seinen Onkel erst am späten Abend erwartet und lag mit Rosa in meinem Bett, als der Obersturmbannführer das Haus betrat. Die Stimme der Kufnerin, die den Onkel lautstark begrüßte, schallte durch den Flur. Bubi zog sich an, nahm das Schachbrett, das als Vorwand für den Aufenthalt in meiner leeren Wohnung dienen sollte, und ließ Rosa allein zurück.
»Ich darf mich nix rühren, bis zurückkommt, sonst gibt es bum.« Wieder war ich genötigt, ihr den Mund zuzuhalten.
Ich kochte Rosa einen Kaffee, gab ihr etwas zu essen, eine Packung Zigaretten und eines der polnischen Bücher aus dem Regal im Wohnzimmer.
»Ich gehe jetzt hoch und schau mal nach, was da los ist. Du bleibst hier, ja? Und weine nicht. Niemand wird dir etwas tun.«
Ich erkannte ihn sofort, den falschen Heinrich. Jetzt wusste ich natürlich auch, an wen mich der SS-Offizier auf Franks Veranda erinnert hatte. Seine Gesichtszüge waren markanter als die seines Neffen, als ob jemand mit einer Schleifmaschine noch einmal nachgesetzt hätte. Und so wie Bubis Augen in einem satten Violett, leuchteten seine in einem hellen Blau. Man glaubte sich in einem Juwelenladen.
Ich hatte noch nie jemanden gesehen, dem eine Uniform besser stand als dem Obersturmbannführer. Eine zweite Haut, kein Kostüm. Es war sein ungestümes Lachen, das seine kontrollierte Erscheinung brach. Wie eine Horde wilder Pferde galoppierte es von seinem Bauch durch seinen Rachen in die Freiheit.
»Anton Richter, ich weiß bereits alles über Sie«, sagte er. »Aus Berlin, Rosenzüchter unseres Generalgouverneurs. Bussis Geigenschüler. Vater gefallen. Einige der Besten sind damals gefallen.«
Ich lächelte und nickte.
»Heute Abend sind Sie mein Gast, Richter. Es gibt ein nettes Lokal in Kressendorf, gutes Essen, guten Schnaps. Und langsam sollten wir los.«
Ich ging in meine Wohnung, um meinen Mantel zu holen. Rosa hielt noch immer ihre Strümpfe in der Hand.
»Es ist alles in Ordnung, hörst du?«, sagte ich. »Aber jetzt ist es schon zu spät für dich, um nach Hause zu gehen. Du bleibst am besten hier, und morgen früh, ganz früh bringe ich dich zurück. Ja?«
Sie nickte, Tränen liefen über ihre Wangen.
»Rosa, es ist alles gut.« Das sagte Anton Richter im Jahre 1940 in Krakau. Er hätte sich schämen sollen.
Das Lokal befand sich in einem Keller. Obersturmbannführer Dr. Kurt Giesel hatte nicht zu viel versprochen, das Essen schmeckte, und der Schnaps floss reichlich. Es war warm und das Licht schummrig. Eine Kapelle spielte Musik. Die meisten Gäste trugen Uniform. Die Frauen hatten sich allesamt rausgeputzt. Ihre Waden steckten in glänzenden Strümpfen und ihre Füße in zierlichen Schuhen, die so gar nicht zu dem polnischen Winter draußen passen wollten. Bubi bemühte sich, die Mädchen nicht allzu offensichtlich anzustarren, was ihm mehr schlecht als recht gelang.
Während wir aßen, erzählte Kurt von Warschau. Er war dabei gewesen, als man die Stadt im letzen Jahr eingenommen hatte. Seine Geschichten klangen wie sagenhafte Abenteuer, und während ich ihm aufmerksam zuhörte, strahlte Bubi eine rothaarige Schönheit an.
Zu späterer Stunde verwandelte sich das Restaurant in einen Tanzsaal, die Tische in der Mitte wurden zur Seite geschoben. Die Musik schwoll an, die Stimmung wurde ausgelassener, und Bubis Beine wippten nervös. Schließlich hielt er es nicht mehr aus und bat seinen Onkel um die Erlaubnis, die Dame zum Tanz aufzufordern.
»Solange es beim Tanzen bleibt, Bubi.«
Kurt lachte, als sein Neffe zu der Rothaarigen eilte.
»Das hat er von seinem Vater. Mein Bruder, Christian, war der
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