Adams Erbe (German Edition)
Scharführer Giesel werden. Sein Onkel, der in Warschau sein Vorgesetzter sein würde, hatte ihm zudem ein äußerst interessantes Aufgabenfeld versprochen.
Anita, Bubi und Lena waren an diesem Abend bei mir. Das Essen zu viert war Bubis Idee gewesen, der sich unauffällig bemühte, so wenig Zeit wie möglich mit Anita allein zu verbringen.
Die Schwestern wirkten grundverschieden, und das nicht nur äußerlich.
Anitas Lachen war laut, fast ein Brüllen. Ein Gehirnlachen, ein gemachtes Geräusch, unfähig, mitzureißen oder anzustecken. Sie hörte sich gerne reden und schaffte es, sich in einem Satz dreimal zu widersprechen, ohne daran auch nur den geringsten Anstoß zu nehmen.
Lena hingegen war still und trug eine leidende Miene zur Schau. Und da, wo ich einmal ein wenig von deiner Traurigkeit zu sehen geglaubt hatte, Anna, erkannte ich jetzt die Fassade. Auch Lenas leisen Tönen fehlte es an Natürlichkeit. Es war nur nicht so offensichtlich wie bei Anitas Geplärre. Die Schwestern ähnelten sich mehr, als man anfangs dachte. Zwischen diesen beiden Frauen begann ich zu verstehen, Anna, warum ich in deiner Gegenwart die ganze Welt spüren konnte. Du bist wahr, Anna.
Bubi verließ Kressendorf. Die Kufnerin lag mir nun täglich mit ihrer Furcht in den Ohren, dass man uns vielleicht einen Polen ins Haus stecken könnte.
»Dann müssen wir uns beschweren, Herr Richter. Zu schade, dass der Unterscharführer uns verlassen hat. Ein so reizender Mensch. Aber er hat wohl eine gute Partie gemacht. Der Vater soll ja schwerreich sein, nicht dass der Unterscharführer das nötig hätte. Ein hübsches Mädchen. Aber Warschau? Also ich habe gehört, da soll es nicht so schön sein. Na ja… Jetzt müssen wir zusammenhalten, Herr Richter. Also wenn die mir einen Polacken da oben reintun… nee, nee, das mache ich nicht mit.«
Frau Kufners Sorgen sollten sich als unbegründet herausstellen. Ein deutscher Verwaltungsbeamter, an dessen Namen ich mich nicht mehr erinnern kann, übernahm Bubis Wohnung.
Im Garten ernteten Tadeusz und ich die reifen Hagebutten. Wir hatten alle Hände voll zu tun. Millionen Samen mussten in mit Torf gefüllte Kisten gebettet werden, damit sie ein paar Tage kühl lagern konnten.
Als ich aus dem Gewächshaus, in dem wir unsere Kisten untergebracht hatten, zurückkam, stand der Generalgouverneur vor mir. Tadeusz war verschwunden. Die Polen beherrschten die Fähigkeit, sich unsichtbar zu machen, sobald unliebsamer Besuch – und der Hausherr gehörte definitiv in diese Kategorie – im Garten auftauchte. Ich konnte Hans Frank noch immer nicht ansehen, ohne an die Steinengel, die Bewacher unseres Berliner Ofens, zu denken.
Wir tauschten ein paar Höflichkeiten aus, dann neigte er den Kopf zur Seite und fuhr sich mit der Zunge über seine dicken Lippen. »Herr Richter, Ihre Röslein werden einen Namen brauchen.«
»Ja, wenn sie blühen…«
»Was halten Sie davon, eine Ihrer Schöpfungen nach mir zu benennen?«
»Doktor Hans Frank?«
»Den Doktor könnten wir weglassen.« Er lachte.
»Herr Dr. Frank, im Allgemeinen wählt man einen weiblichen Namen.« Ich war mir nicht einmal sicher, ob das der Wahrheit entsprach, aber seine Eitelkeit schrie geradezu nach einer Ohrfeige.
Er schürzte die Lippen, und seine Stirn legte sich in Falten. »Weiblich?«, murmelte er.
Ich nickte.
»Brigitte? Brigitte. Nein, Brigitte will sich nicht recht eignen. Aber was halten Sie von der ›Gouverneursrose‹, Herr Richter?«
»Ich dachte immer, der Gouverneur wäre ein Mann.«
Einen Moment war er irritiert. »Richtig«, sagte er und räusperte sich. »Und was ist mit der ›Generalgouvernementsrose‹?«
»Wie Sie wünschen«, antwortete ich.
»Eine ›Generalgouvernementsrose‹, das hat… das hat Größe.« Und dann marschierte er zurück ins Schloss.
Vierstimmiges Lachen ertönte. Tadeusz, Janusz, Pawel und Karol hatten sich in Hörweite versteckt gehalten. Ich denke, an diesem Tag verflüchtigten sich auch ihre letzten Bedenken gegen Anton Richter.
Kurz vor Weihnachten fuhren Lena, Bernadette und ich nach Warschau. Bubis Geburtstag und Anitas angebliche Sehnsucht nach ihren Schwestern waren der Anlass dieser Reise.
Mein Sturmbannführer beschwor mich, in Kressendorf zu bleiben, aber Neugier und der Drang, wenigstens für ein paar Tage aus Anton Richters Alltag auszubrechen, machten meine Ohren taub für Busslers Bedenken.
Ich saß zwischen den zwei Schwestern in einem komfortablen Mercedes, den Herr
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