Adams Erbe (German Edition)
begleiten?«
Ich nickte und stand auf.
»Aber bleibt nicht zu lange. Und Finger weg von den Damen, Bubi.« Der Obersturmbannführer erhob lachend seinen Zeigefinger und bemerkte nicht, dass das Gesicht seines Neffen schlagartig alle Farbe verloren hatte.
Ich folgte Bubi in den Innenhof des Nachbarhauses. Er zündete sich eine Zigarette an, nahm seine Schirmmütze ab und fuhr sich fast schon gewaltsam durch das dichte Haar.
»Scheiße, Anton, verdammte Scheiße«, sagte er, und Tränen rannen aus den lila Augen, die so gar nicht dafür gemacht zu sein schienen.
Der Unterscharführer erzählte mir, dass Anita schwanger sei. Anita, die anders als Lena Leid und Herzschmerz rein gar nichts abgewinnen konnte, pochte auf ihr Recht und wollte von Bubi geehelicht werden.
»Sie ist nicht die Eine. Sie ist nicht die Schönste von allen. Sie ist nicht die, die ich zum Traualtar führen wollte.« Er begrub sein Gesicht in seinen Händen. »Wie mein Vater«, stieß Bubi hervor. »Ich mach den gleichen Fehler wie mein Vater.«
»Wie meinst du das?«
»Er hat meine Mutter nicht geliebt und sie trotzdem geheiratet. Auch er wollte einmal die Schönste von allen zur Frau nehmen, aber dann wurde meine Mutter schwanger. Die Richtige hat er niemals kennengelernt.«
»Ich dachte, er wäre ganz in seinem Beruf aufgegangen und hat deshalb aufgehört mit den…«
»Nein, zuerst kam ich und dann die Torten. Torten, immer nur Torten. Wie ein Besessener. Torten.« Giesel sah mich flehentlich an.
»Heirate sie nicht, heirate sie einfach nicht«, sagte ich.
»Dann werde ich aus der SS ausgeschlossen. Dann kann ich das hier alles vergessen. Die Sache in Köln. Die Zwillinge… Und Anita weiß von Rosa…«
»Also musst du dich entscheiden, Bubi. Was ist dir wichtiger? Die Eine, die Schönste von allen, die dir eines Tages begegnen wird, oder das hier?«
Der Unterscharführer malträtierte seine Kopfhaut. »Ich weiß es nicht. Was soll ich machen, Anton, ich weiß es einfach nicht? Ich möchte glücklich sein, das will doch jeder, oder?«
Die Uniform wirkte auf einmal drei Nummern zu groß. Er sah aus wie ein kleiner Junge, der sich als Soldat verkleidet hatte.
»Dann musst du dir überlegen, was dich glücklich macht.«
»Ja«, sagte er, wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und setzte die Mütze wieder auf. »Lass uns reingehen, und kein Wort zu meinem Onkel, bitte.«
Als wir zurückkamen, saßen an unserem Tisch sechs weitere Herren, Bekannte von Bussler und Giesel. In dieser großen Runde leerten wir noch einige Gläser. Irgendwann beugte sich der Obersturmbannführer zu mir.
»Was machen die Rosen?«, flüsterte er. »Die Rosen, die…«
»Ja, ich verstehe Sie«, unterbrach ich ihn schroff. »Es läuft.«
Giesel lachte. »Richter, Richter, Sie sind mir einer. Aus Ihnen ist nichts rauszukriegen, he?«
Ich sah, dass Bussler uns besorgt beobachtete.
»Herr Obersturmbannführer, wir erfüllen doch alle nur unsere Pflicht«, sagte ich und lächelte.
»Wohl wahr, wohl wahr. Ich kann Sie verdammt gut leiden, junger Mann.« Kurt schlug mir einmal kräftig auf die Schulter.
Endlich löste sich die Runde auf. Als wir die Sturmbannwohnung erreicht hatten, brach der arme Maestro in der Küche regelrecht zusammen.
»Giesel brennt darauf, mehr über deinen Auftrag zu erfahren. Warum musstest du…«
»Ich habe Giesel unter Kontrolle.«
Bussler stieß ein schrilles Lachen aus, ein hässliches Geräusch. »Adam, das hier ist kein Spaß, wenn das schiefgeht, sind wir beide tot. Kannst du das nicht endlich begreifen?«
Auf einmal kroch, ohne Vorwarnung, eine unbändige Wut in mir hoch. »Doch, ich habe verstanden, Bussler. Das ist Polen. Hier wird geschossen. Schießen Sie auch auf Leute, auf die Richtigen, auf die Falschen, was auch immer das bedeuten mag? Was sind das für Aktionen, Herr Sturmbannführer?«
Er schüttelte den Kopf. »Du weißt ja gar nicht, was du da sagst.«
»Ich habe nichts gesagt, ich habe etwas gefragt.«
»Adam, ich bin Nationalsozialist. Ich diene dem Führer, ich diene meinem Land und verteidige es gegen seine Feinde.«
»Und was ist mit mir? Was ist mit Edda? Ihr Führer hat auch uns zu seinen Feinden erklärt. Wie geht das zusammen, Bussler? Sie schmuggeln einen Juden in den Garten des Generalgouverneurs und helfen ihm, sein jüdisches Mädchen zu finden? Wie geht das zusammen?«
Er sah mich nicht an. »Du und deine Großmutter, ihr… ihr dürftet keine Juden sein, es ist, als ob da jemandem ein
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