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Adams Erbe (German Edition)

Adams Erbe (German Edition)

Titel: Adams Erbe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Rosenfeld
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Geheimnis.«
    Unsere Saat hatte sich vielversprechend entwickelt, als ich aus Warschau zurückkam, und Anfang Juni öffneten sich an einem Dutzend junger Sträucher die ersten Knospen. Zitronengelb. Tadeusz war begeistert, denn eigentlich sollten die Rosen erst im nächsten Jahr blühen. Wie deine Träume in Marders Garten damals, Anna, gediehen auch sie im Wundertempo.
    Dr. Hans Frank, den wir länger nicht gesehen hatten, residierte nun schon seit mehreren Tagen wieder im Schloss. Gleich einer fetten Spinne schien er zu spüren, dass sich irgendwo in seinem Netz etwas bewegte.
    Die polnische Fähigkeit, sich bei Bedarf in Luft aufzulösen, beherrschte ich immer noch nicht. Tadeusz war verschwunden, und so stand ich dem Schlossherrn allein gegenüber. Er wirkte dicker und aufgedunsener als bei unserer letzten Begegnung. Mit einem Lächeln steckte er seine Nase in einen der gelben Kelche.
    »Die Rose«, seufzte er. »Man möchte Dichter sein, um Worte der Huldigung zu finden.«
    Dann wich die Verzückung aus seinem Gesicht. »Herr Richter, ich habe gehört, dass es das höchste Ziel in Ihrem Metier sei, eine blaue Rose zu züchten. Dass es bisher noch keinem gelungen sei… Wenn Sie… vielleicht… die Generalgouvernementsrose, tiefblau… zum Leben erweckt in meinem Garten…« Vergessen waren unsere Zitronenschönheiten, die eben noch die Sehnsucht nach Poesie in ihm geweckt hatten.
    »Ich werde mein Bestes geben, Herr Dr.   Frank.«
    »Tun Sie das«, sagte er feierlich und drückte mir die Hand.
    So war das im Sommer 1941 in Polen, dem Land der Zwergfeigen, der Ghettos und der Schüsse. Dem Land, in dem ich zum ersten Mal meine eigenen Gitterstäbe berührt hatte. So war das 1941, kurz bevor Augusts Leute zu einem Spaziergang nach Russland aufbrachen.
    »Wenn es Ihnen gelingt, Herr Richter, dann werde ich Sie mit Orden und Auszeichnungen überschütten.« Er lachte einmal schrill und eilte zurück ins Schloss.
    Als ich an diesem Abend nach Hause kam, fand ich Bussler in meiner Wohnung vor. Er spielte mit seinen schwarzen Lederfingern und drehte unruhige Kreise in der Küche.
    »Adam, ich werde für ein paar Monate nicht in Krakau sein.«
    »Wo soll’s denn hingehen, Herr Sturmbannführer?«
    »Das kann ich nicht sagen.«
    Dann setzte er sich und verlangte nach Schnaps. Vier Gläser später konnte er es doch sagen, und schließlich erfuhr auch ich von dem bevorstehenden Angriff auf Russland.
    »Und was sollen Sie dort machen, Bussler? Schießen können Sie ja nicht.« Ich berührte seine Schwänzchen und konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen.
    »Adam, das ist nicht lustig.«
    »Nein, das ist es nicht, Ihr Verein nicht und August auch nicht. Witzig seid ihr wirklich nicht. Aber Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Was werden Sie dort tun? Was macht ein Sturmbannführer, der kein Gewehr halten kann, im Krieg?«
    »Das wird man sehen.«
    »Ach, Bussler.«
    »Schluss jetzt«, sagte er mit einer Strenge, die ihm schlecht zu Gesicht stand. Er schien zu bereuen, dass er mir dieses Noch-Geheimnis verraten hatte. Seine Lippe begann nervös zu zucken. Ich füllte sein Glas erneut und dann noch ein zweites und noch ein drittes Mal.
    »Und was wird aus der Suche nach Anna?«, fragte ich, als mein Sturmbannführer wieder etwas entspannter wirkte.
    »Die geht weiter.«
    »In Russland?«
    »Bitte… Habe Geduld…«
    »Das haben Sie mir schon zu oft gesagt.«
    »Adam, vertraue mir…« Seine Schwänzchen berührten meine Wange. »Vertraue mir.«
    Nicht nur Bussler, auch Bubi und Kurt Giesel waren mit von der Russlandpartie. Als der offizielle Startschuss fiel, waren die drei Männer schon nach Osten aufgebrochen. Ich blieb zurück in Kressendorf mit einem bitteren Geschmack im Mund und deinem Bild in meiner Jackentasche, Anna.
    Kurze Zeit später bekam ich einen Anruf aus Warschau. Lena war krank. Kein Arzt wusste, warum sie ihre Beine nicht mehr bewegen konnte, warum sie kaum noch schlief, kaum noch aß.
    »Es ist so furchtbar, Herr Richter.« Frau Wredens Stimme war von Tränen erstickt. »Das arme Kind… sie redet wirr… als ob sie… und manchmal… Sie hat nach Ihnen gerufen.«
    Man hatte Lena im Drachenzimmer einquartiert, weil es dort kühler und luftiger war als in ihrem eigenen. Frau Wreden führte mich an das Bett ihrer Tochter und ließ uns allein. Lena lächelte, als sie mich sah.
    Anna, warum ich ihr unsere Geschichte erzählt habe, kann ich heute nicht mehr sagen. Hat sie gefragt, oder überkam mich

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