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Adams Erbe (German Edition)

Adams Erbe (German Edition)

Titel: Adams Erbe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Rosenfeld
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mondäne Gepflogenheiten.« Giesel schüttelte in gespielter Entrüstung sein Haupt.
    »Kurti, nenn mich nicht meine Hübsche, bis ich dieses überflüssige Gewicht wieder los bin.«
    Während das Gespräch zwischen dem Obersturmbannführer und Anita eine Weile hin und her plätscherte, beobachtete mich Bubi.
    Frau Wreden klopfte an die halboffene Tür und trat mit einem schüchternen Schritt herein.
    »Hilde, auch eine Zigarre?«, fragte Giesel.
    »O nein, nein«, sagte sie und lächelte verlegen.
    »Schnaps?« Kurt lachte.
    »Oh, nein… Egon hat angerufen, es wird sehr spät werden. Er entschuldigt sich, aber…«
    »Egon Wreden ist der fleißigste Mann, den ich kenne«, unterbrach der Obersturmbannführer sie und zauberte ein weiteres, nicht mehr ganz so verschämtes Lächeln auf ihre Lippen.
    »Mein Mann möchte Ihnen morgen gerne die Fabrik zeigen, Herr Richter.«
    »Mir?«
    »Ja… Oder haben Sie andere Pläne? Dann…«
    Des Onkels und des Neffen schöne Augen richteten ihre Strahlen wie vier Scheinwerfer auf mein Gesicht. Anna, ist dieses Präsentieren seiner Besitztümer eine deutsche oder eine arische Sitte oder eine, die erst im besetzten Polen entstanden ist?
    »Wie aufmerksam. Mit großem Vergnügen.«
    Das Scheinwerferlicht ging aus.
    »Lassen Sie bloß Ihre Geldbörse zu Hause.« Anita blies eine Ladung Rauch in meine Richtung. »Herr Richter ist nämlich ein Wohltäter«, sagte sie in die Runde.
    Bernadette und der Mischling begleiteten mich am nächsten Tag in Egon Wredens Fabrik, und auch Anton, die Porzellanpuppe, war mit von der Partie, als ob es sich um einen vergnüglichen Sonntagsausflug handeln würde.
    Wreden führte uns durch sein Reich. Ein Aufseher schrie, die Nähmaschinen ratterten, und Zweiäuglein kläffte. Die Arbeiter mit ihren besternten Armbinden schienen allesamt den Atem anzuhalten. Ein Bild, dessen Traurigkeit nicht sofort erkennbar war: ein paar viel zu magere Beine da, eine abgerissene Hose dort, ein eingefallenes Gesicht in der hinteren Ecke. Nichts allzu Offensichtliches, und trotzdem glaubte ich zu ersticken. Gleichzeitig stieg in der schlecht beleuchteten Halle ein fast schon euphorisches Gefühl in mir auf. Erleichterung. Adam Israel Cohen musste nicht zwischen jenen elenden Gestalten stehen, er durfte in der Haut des Rosenzüchters wieder in den bequemen Mercedes steigen und zum Dessert eine Schüssel voller Zwergfeigen verspeisen. Mein eigenes Gesicht und das Herz, das in meiner Brust trommelte, erschienen mir in diesem Moment ein wenig hässlicher als sonst. Das sind die Gitterstäbe, die einem Nichthelden Grenzen setzen.
    »Komm mit«, rief Bernadette und führte mich durch die ihr offensichtlich vertrauten Gänge. Vor einem Tisch, an dem ein alter Mann ausgefranste Stoffreste bearbeitete, blieb sie stehen.
    »Ich bin wieder da«, sagte das Kind zu dem Arbeiter, der seine fadenscheinige Jacke zurechtzupfte. Er grüßte mit gebeugtem Haupt und nannte Bernie »gnädiges Fräulein«, was ihr ausgesprochen gut zu gefallen schien.
    »Ich will Anton zeigen, was du kannst«, raunte sie. Ein Echo von Anita war in ihrem Tonfall zu hören.
    »Sehr wohl, gnädiges Fräulein.« Und seine leicht zittrigen Finger knoteten drei Fetzen aneinander und formten die Lumpen zu einem kleinen Püppchen.
    Bernie kreischte vor Freude, und animiert durch den Beifall des Fabrikantentöchterchens zauberte der alte Mann auf die gleiche Weise noch einen Hund und eine Taube hervor.
    Lächelnd, ohne das Mädchen direkt anzusehen, reichte er ihr die Stoffwesen, aber Bernadette schüttelte den Kopf.
    »Komm, Anton, wir gehen.«
    Sie drehte sich auf dem Absatz um, und ich folgte ihr.
    »Warum hast du sie nicht angenommen?«, fragte ich.
    Das Mädchen sah mich erstaunt an. »Weil das ein schmutziger Jude ist.«
    Ich lief zurück, weil ich auf der anderen Seite der Gitterstäbe eine Stimme hörte.
    Im Auto ließ ich die Püppchen auf meiner Hand tanzen, während Bernadette vor Neid zitterte. Immer wieder wanderte ihr Blick zu den Tierchen. Und das quälende Verlangen der jüngsten Wreden-Tochter bereitete mir unendliche Genugtuung. Ich weiß, Anna, das sind keine Heldentaten.
    Mitten in der Nacht klopfte es an die Tür meines Drachenzimmers. Bernadette in einem gelben Nachthemd. Sie schnappte dreimal nach Luft, bevor sie ihre Bitte vortrug.
    »Aber bitte, erzähl es nicht meinem Vater«, sagte sie, während sie ein Püppchen, eine Taube und einen Hund streichelte.
    »Das bleibt unser

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