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Adams Erbe (German Edition)

Adams Erbe (German Edition)

Titel: Adams Erbe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Rosenfeld
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einfach der Drang, von dir und Adam zu sprechen? Warum an diesem Nachmittag und nicht bei meinem ersten Besuch? Ich weiß es nicht, ich weiß es wirklich nicht. Als ich den letzten Satz gesprochen hatte, nahm sie meine Hand und drückte sie mit erstaunlicher Kraft. »Du musst vorsichtig sein. Traue niemandem… Niemandem.«
    Ich nickte und dachte an meinen Sturmbannführer.
    »Solltest du jemals Hilfe brauchen und sollte ich nicht hier sein, dann frag Bernie.«
    »Sie ist doch noch ein Kind.«
    »Frag Bernie«, sagte sie entschieden.
    »Ich habe ja auch noch Bussler.«
    »Das sind seltsame Zeiten, Anton… Adam. Man weiß nie, wie lange man jemanden noch hat. Nicht wahr?« Lena schloss die Augen und atmete gleichmäßig. »Aber wenn es so etwas gibt, dann möchte man leben.«
    Den Abend verbrachte ich mit Bernie und Zweiäuglein. Wir spielten Schwarzer Peter.
    »Wird sie sterben?«, fragte Bernadette, ohne den Blick von den Karten in ihrer Hand zu wenden.
    »Nein.«
    »Woher weißt du das?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte ich schließlich. »Aber ich glaube oder ich hoffe, dass Lena bald wieder gesund wird.«
    »Ja, aber das ist etwas anderes.«
    Zwei Wochen später war Lena tot.
    Die Wredens bestatteten ihre Tochter auf einem Friedhof in der Nähe des Drachenhauses. Ich fuhr nicht zur Beerdigung, aber meine Gedanken waren bei dem blassen Mädchen, das in Warschau einfach keinen Schlaf hatte finden können.
    Und während die Sommersonne brannte und meine polnischen Kollegen gebannt das Kriegsgeschehen verfolgten, wartete ich auf Busslers Rückkehr.
    Tadeusz und die anderen gaben sich keine Mühe, ihr Entsetzen vor mir zu verheimlichen, als die ersten deutschen Erfolgsmeldungen verkündet wurden. Wir arbeiteten langsamer als sonst. An einem heißen Tag überraschte ich Janusz in unserem Holzverschlag. Sein Körper bebte, und seine Augen waren gerötet. Ich setzte mich zu ihm und reichte ihm eine Zigarette.
    »Steht er schon in Moskau?«, fragte ich.
    Janusz schüttelte den Kopf. »Als ich Kind war, da hat mir jemand versprochen, dass alles Sinn hat. Ist nix leicht, dran glauben in diesen Zeiten.«
    Es war Anfang September, als ich den Anruf aus Krakau bekam. »SS-Hauptscharführer Pepenbeck«, meldete sich die Stimme am anderen Ende der Leitung.
    Ich nahm den nächsten Omnibus nach Krakau.
    Pepenbeck erwartete mich vor dem Krankenhaus. Im Stechschritt marschierten wir die Gänge entlang, durch einen Saal. Ein Bett neben dem anderen. Hier und dort hörte man ein Stöhnen, ein Husten, einen unterdrückten Schrei, sogar ein Lachen. Am Ende des Saals, hinter einem Vorhang, lag mein Sturmbannführer. Ein einziger Finger. Verschwunden die immerschwarzen Handschuhe. Seine Hände waren nackt und rosa. Der Schweiß glänzte auf seinem Gesicht. Ich konnte keine äußeren Verletzungen erkennen, und doch sahen Busslers Arme und Beine, die unter dem Nachthemd hervorragten, wie eine einzige Wunde aus. Eingefallen und kraftlos.
    »Ich lasse sie jetzt alleine«, sagte der Hauptscharführer und zog den Vorhang zu. Erst jetzt öffnete Bussler seine Augen.
    »Adam«, flüsterte er. Und seine Hand, dieser kleine Teller, mehr war es nicht, vergrub sich in der meinen.
    »Bussler, was ist passiert?«
    »Ich…« Aber er schaffte es nicht, weiterzusprechen, und anstelle von Worten gab es Tränen. Viele Tränen.
    In dem weißen Nachthemd wirkte der Maestro zerbrechlich. Er sah aus wie ein hässliches Porzellanpüppchen, das sicher von irgendeinem Kinderherzen, trotz oder gerade wegen seiner Unvollkommenheit, aufrichtig geliebt werden könnte.
    »Wo sind Ihre Finger?«, fragte ich, als nur noch einzelne Tropfen und nicht mehr ganze Bäche über seine Wangen liefen.
    »Weg.«
    »Das sehe ich, aber wohin?« Ich streichelte den nackten Fleischklumpen.
    »Sie haben sich bewegt… ohne… ohne dass ich es wollte… Jede Nacht… Ich habe sie…« Er schluckte. »Ich musste… Sie mussten weg.«
    »Gut, Bussler, die Finger mussten weg. Aber was ist passiert?«
    Er schüttelte so heftig den Kopf, dass ich fürchtete, er würde damit jeden Moment gegen das Bettgestell knallen.
    »Ich…« Weiter kam er auch dieses Mal nicht.
    Ein Arzt trat an sein Bett. Er gab ihm eine Spritze und stellte ein Glas mit einer bläulichen Flüssigkeit auf den eisernen Tisch. »Das sollte er trinken«, sagte der Mann im Kittel und verschwand ebenso schnell, wie er gekommen war.
    Ich hielt Bussler das Glas an den Mund, folgsam schluckte er. So hatte ihm Edda damals ihre

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