Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)
hielten sie überrascht inne. Fragend sah Adelheid ihrem Ältesten entgegen und in ihrem von der ungewohnten Anstrengung geröteten Gesicht entstand sofort eine Sorgenfalte auf der Stirn. Sie erkannte an eben jener Mimik, die auch ihrem Sohn zu eigen war, dass er keine gute Nachrichten brachte.
„Was gibt es, mein Junge? Komm setz dich und berichte.“
Ludwig war wieder einmal verblüfft, wie sicher seine Mutter seine Stimmungen deuten konnte. Obwohl er versucht hatte, eine unbekümmerte Miene zu machen, las sie seine Gedanken in seinem Gesicht. Müde legte er seinen Umhang ab, der vor Schlamm und Kot starrte und mit der knisternden Wärme des Kaminfeuers begann sich der herbe Geruch von Pferdedung und Männerschweiß auszubreiten.
„Der König ist auf dem Heimweg! Er hat vor einigen Tagen die Alpen überquert, nachdem er sich beim Papst gehörig ausgeheult hat. Unsere Boten berichten, er sinnt auf Rache.“
Adelheids Lider weiteten sich entsetzt und sie flüsterte tonlos: „Warum gerade jetzt? Gönnt uns der Allmächtige nicht wenigstens ein paar Tage Ruhe und Glück?“
„Es tut mir leid, Mutter, ich hätte Euch die Nachricht gern erspart. Aber wir dürfen keine Zeit verlieren. Wir werden verschwinden müssen, bis sich der Sturm gelegt hat. Der Abt Altfried sympathisiert mit dem Bischof von Halberstadt, der zu unserem Glück ein erbitterter Gegner des Königs ist. Herzog Lothar hat veranlasst, dass er uns in seinem Kloster aufnimmt. Am besten, wir brechen morgen früh bereits auf, bevor die Vasallen Heinrichs hier aus den Schlupflöchern kriechen.“
„Ich bleibe hier, mir wird er nichts tun. Ich muss in Adeles Nähe sein!“ Ihre Stimme klang belegt vor Enttäuschung, doch fest und entschlossen, sowohl Ludwig als auch Folkmar wussten, dass jeder Widerspruch zwecklos wäre.
Und wieder hieß es Abschied nehmen. Im aufziehenden Morgenrot des folgenden Tages kletterte Folkmar mühsam auf sein Pferd, während die Begleitmannschaft bereits mit den Packpferden am Zügel über die Zugbrücke polterte. Sie mussten auf eine Kutsche verzichten, denn sie wollten schnell vorwärtskommen und wendig bleiben. Adelheid steckte ihm ein Leinensäckchen mit schmerzstillenden Schierlingswurzeln in die Satteltaschen, nicht ohne ihm noch einmal die richtige Anwendung einzuschärfen. Falls sein Bein ihm große Schwierigkeiten bereiten würde, konnte er kleine Stücke zerkauen und sich damit auf dem Gaul halten. Das Gesinde, welches sein Tagwerk gerade begann, warf verstohlene Blicke zur Herrin hinüber, die mit versteinertem Gesichtsausdruck auf der Treppe vorm Saal stand, als Folkmar und Ludwig mit wehenden Mänteln, unter denen die Parierstangen der Schwertgriffe blitzten, als Letzte durch das Tor ritten.
Täglich nach der Prim kam ein Bote vom Straußberg über die Brücke, um Nachricht über Adeles Befinden zu bringen. Während der Mahlzeit, an der er selbstverständlich teilnahm, gab er Wort für Wort wieder, was ihm Magdalena in den frühen Stunden des Tages über Adeles Zustand mitgeteilt hatte.
„Die Herrin bittet Euch, hohe Frau, ein Kraut des Namens Einbeere sammeln zu lassen. Es wachse, so sagt sie, im Wald jenseits der Motte kräftiger und wirksamer denn um die Mauern des Straußberges. Es könnte möglich sein, dass es bald benötigt wird.“
Adelheid nickte. Einbeere war eine sehr hilfreiche Droge, wenn es die Gebärende allzu schwer hatte. Nur zu gut erinnerte sie sich an die Geburt ihres Ältesten, der es ihr wahrlich nicht leicht gemacht hatte, ihn zur Welt zu bringen. In den vielen Jahren in Magdalenas Gesellschaft hatte sie allerhand über den Gebrauch von Kräutern gelernt. Und nun, da Magdalena nicht sofort erreichbar war, musste sie sich auf ihr Wissen verlassen können, um im Notfall selbst einzugreifen. Natürlich gab es Mägde und Küchenfrauen, die sich ebenfalls auf den Gebrauch der verschiedenen Heilpflanzen verstanden, doch wollte sie sich auf niemanden verlassen, wenn es um Adele ging. Sie würde aufbrechen, um das Kraut eigenständig zu suchen. Es war eine ausgesprochen günstige Zeit, die kleine Pflanze zu pflücken, die ihre vier haarigen Blätter etwa eine Handspanne über dem Boden wie ein kleines Dach aufspannte und sich in der Mitte mit einer einzigen kleinen blauen Beere zierte.
Gleich nachdem die Mahlzeit beendet war, warf sie sich einen alten Mantel über und wand sich ein dunkles Tuch um den Kopf, wie es sonst die Mägde trugen, um ihr Haar vor den Zweigen des Unterholzes zu
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