Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)
den Kopf. „Nein! Wozu? Ich erzählte ihm von den Bildern, die mich nachts nicht schlafen lassen. Er schlug mir zunächst vor, einen Altar für seine neue Kirche zu stiften, an welchem dann für mein Seelenheil gebetet würde. Doch genügt das für das Leben der Männer, die unter meiner Hand starben? Erst dachte ich an eine Kapelle. Eine zweistöckige, so wie auf Huisburg. Wiewohl sie dort gering geachtet wird, soll sie doch abgerissen werden, sobald die neue Kirche geweiht ist.“
Er hatte sich jetzt in Fahrt geredet und wechselte abrupt das Thema. „Stell dir vor, Adelheid, wie praktisch eine solche Kapelle hier auf Lare wäre. Wir könnten trockenen Fußes von unseren Gemächern aus in das obere Stockwerk zur Messe gelangen, während das Gesinde im Erdgeschoss am Gottesdienst teilnimmt. Und der Platz, den das Gotteshaus im Innenhof benötigt, wäre sehr gering.“
Seine Gemahlin nickte versonnen. Diese Idee gefiel ihr gut. Das Gelände auf dem Hof der Kernburg war knapp bemessen, eine wirklich große Kapelle würde ein Wunschtraum bleiben. Aber zweistöckig gebaut konnte der Raum verdoppelt werden. Sie musste unbedingt mit Pater Julius darüber reden. Folkmar fasste ihren Arm und holte sie in die Wirklichkeit zurück.
„In der Nacht bevor ich nach Walkenried fahren sollte, um den Nachlass zu klären, konnte ich nicht schlafen. Als die Glocke die Mönche zu den Vigilien rief, wälzte ich mich noch immer auf dem Strohsack umher. Mitunter plagen mich heftige Kopfschmerzen, so auch an jenem Abend. Wenn sie nachlassen, ist mein Geist hellwach und arbeitet so rege, als müsse er die verlorenen Stunden aufholen. Ich lag also und war in Gedanken in Walkenried, zog in der Erinnerung als kleiner Bub durch die Sümpfe, um Frösche und Eidechsen zu fangen. Da hatte ich plötzlich eine Vision. Ich sah in dem Morast einfach gekleidete Männer, die mit Hacken und Schaufeln Gräben zogen, um das Wasser abzuleiten. Wieder andere rodeten die Weiden und die silbrig glänzenden Erlen und gruben mühsam die Stümpfe mit ihren weitverzweigten Wurzeln aus der modernden schwarzen Erde. Und hinter all den sich plagenden Menschen erhob sich eine gewaltige Kirche in den Himmel, umgeben von starken Klostermauern, eine Bastion des Glaubens.“
Für einen Moment schloss er die leuchtenden Augen und Adelheid hatte das Gefühl, als sei er weit weg, dort in seiner Traumwelt mitten unter den Mönchen, die dem unfruchtbaren Sumpf ergiebigen Ackerboden abrangen. Sie war nicht oft in Walkenried gewesen, aber die Sümpfe um das kleine Dorf und den Wirtschaftshof am Fuße der Harzberge kannte sie gut. Sie ahnte auch, welche Reserven und welche Kraft in diesem Boden schlummern mussten, der noch nie zuvor einen Pflug gesehen hatte. Dort ein Kloster mit landwirtschaftlicher Prägung zu errichten, das war eine wirklich atemberaubende Idee.
„Warte, lass mich deinen Vorschlag formulieren. Du stellst dem Abt von Huisburg das notwendige Land zur Verfügung, er lässt darauf ein Kloster errichten, dessen Mönche den Sumpf urbar machen.“
Folkmar nickte mit glänzenden Augen, während sie weiter sprach. „Nach unserem Tod fallen auch das Gut Walkenried, die abhängigen Dörfer und das restliche Land an den Abt Altfried.“
„Und unseren Sünden wird Ablass erteilt, wir können mit reiner Seele vor den Herrn treten.“
Er sah sie triumphierend an und lachte glücklich. „Doch das kann noch warten, wir haben noch viel zu tun, bis es soweit ist. Wir müssen uns um einen geeigneten Baumeister kümmern, Pläne zeichnen und den raschen Beginn der Arbeiten organisieren. Schließlich will ich noch dabei sein, wenn die Kirche geweiht wird.“
Seit langer Zeit hatte Adelheid ihren Gemahl nicht so zufrieden und in solcher Hochstimmung gesehen und sie ließ sich nur zu gern von seinem Enthusiasmus anstecken.
Als Ludwig den Saal betrat, glaubte er seinen Augen nicht zu trauen. Folkmar und Adelheid tanzten mit verklärten Gesichtern zwischen den Tischen, hielten sich an den Händen und lächelten wie Frischverliebte. Obwohl er mit seinen schmutzigen Reiterstiefeln ziemlich laut hereingepoltert war, schienen sie ihn nicht wahrzunehmen. Verdutzt blickte er von seiner Mutter, die graziös neben den Holzbänken dahin schwebte, zu seinem Vater, der bemüht war, sein steifes Bein möglichst im Takt des Reigens nachzuziehen, was ihm anscheinend keine großen Probleme bereitete.
Erst als die schwere Eichentür mit lautem Krachen hinter ihm ins Schloss fiel,
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