Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)
in Walkenried.
Folkmar senkte die Augen und seufzte. „Ich glaube, Vater hat seinen Frieden gefunden. Lange schon hat er sich nur noch gewünscht, bei Mutter zu sein. Lasst uns gemeinsam für ihn beten!“
An der gegenüberliegenden Wand hing ein Kruzifix, vor dem knieten Vater und Sohn nieder und versanken in Andacht. Adelheid kam sich ein wenig verloren vor, wie ausgeschlossen aus einem Bund, zu dem sie keinen Zutritt hatte. Sie blieb sitzen, faltete pflichtschuldig die Hände und murmelte ebenfalls ein kleines Gebet.
Beringar erhob sich als erster und schloss seine Mutter in die Arme, eine Geste, die er sehr selten benutzte und die ihr sogleich das Gefühl eines endgültigen Abschiedes vermittelte.
„Beringar?“ Ihre Stimme drohte zu kippen.
„Mutter, ich werde das Gelübde ablegen!“ Er sprach ernst und wohlüberlegt, sie wusste, dass sie nichts daran ändern konnte.
„So werde ich auch dich verlieren!“
„Nein, ich habe einen festen Platz in Eurem Herzen, dort werdet Ihr mich immer finden.“ Er legte seinen Kopf an ihre Schulter und sprach mit klarer Stimme weiter, während Adelheid um Fassung rang. „Ihr wisst, dass mein schwacher Körper nicht zum Kämpfen taugt. Selbst Helisende führt das Schwert besser als ich.“
Ein wehmütiges Lächeln stahl sich auf Adelheids Lippen, als sie an die ewigen Auseinandersetzungen ihrer beiden Jüngsten erinnert wurde.
„Über den Büchern dagegen fühle ich mich wohl. Sie sind meine Berufung, sie machen mich stark. Glaubt mir, ich bin hier glücklich!“
Folkmar hatte bisher kein Wort verloren, sondern nur still zugehört. Jetzt griff er nach Adelheids Hand und sagte ganz sanft: „Lass ihn, er findet hier sein Heil und mehr wollen wir doch nicht! Er hat Recht, auf Lare wäre er immer nur der Zweitgeborene. Hier dagegen kann er sich selbst verwirklichen.“
Wie so oft zuvor staunte Adelheid über sein Feingefühl und seine Fähigkeit, sich in andere Menschen hineinzudenken. Das war der Folkmar, den sie kannte und liebte. Dankbar erwiderte sie den Druck seiner Hand und schmiegte sich an seine Schulter. Vielleicht konnte alles wieder so werden wie vor der unheilvollen Schlacht. Sie schloss die Augen und versuchte, diese fremde und beängstigende Umgebung zu vergessen, nur seine Nähe zu spüren, ihn zu fühlen und seinen vertrauten Körper zu riechen. Die Tür knarrte leise, als Beringar den Raum verließ.
„Wie fühlst du dich hier in diesen stillen Mauern? Bist du zufrieden?“ Noch während sie sprach, fürchtete sie bereits die Antwort.
„Ich glaube, es war eine richtige Entscheidung, hierher zu gehen. Ich habe nach und nach alle Erinnerung zurückgewonnen, obwohl …“ Er zögerte.
„Manchmal denke ich, es wäre besser gewesen, ich hätte alles für immer vergessen. Die Schlacht, weißt du …“
Adelheid spürte, wie schwer ihm diese Sätze fielen. Sie nahm seinen Kopf fest zwischen ihre Hände und zwang ihn, ihr ins Gesicht zu sehen.
„Rede nur, wenn du meinst, es sei gut für dich.“
Wie liebte sie jeden Zug in diesem Antlitz und wie hatte sie diesen Anblick in den letzten Wochen vermisst! Die langen Wimpern über seinen blauen Augen, die jetzt so traurig blickten, dass sie gleich tiefer Seen schimmerten, darunter der sinnliche Mund zwischen winzig kleinen Bartstoppeln, die wie Silber und Gold in der Abendsonne glänzten.
„Ich weiß nicht mehr, wie lange wir schon kämpften … Es hörte einfach nicht auf, dieses sinnlose Abschlachten von guten Männern, von Familienvätern, von Jünglingen, die das Leben noch vor sich hatten. Ich habe einen Jungen getötet, der beim Fallen seinen Helm verlor. Er sah mich an, so erstaunt und fragend. Er war blond und das Blut färbte sein helles Haar. Ich dachte an Ludwig. Ich kann diesen Blick nie mehr vergessen …“
Er vergrub den Kopf in seinen Händen und schluchzte leise. „Er war noch ein Kind! Verstehst du? Er hat noch nie bei einer Frau gelegen, hat die Liebe nicht kennen gelernt. Er wird nie einen Sohn im Arm wiegen können. Wofür? Für diesen König“, er sprach den Titel Heinrichs mit der ganzen Verachtung aus, zu der seine Stimme unter Tränen fähig war, „der sich nicht einmal in die Nähe des tobenden Kampfes wagte?“
Hilflos zog Adelheid seinen Kopf an ihre Brust.
Er holte zitternd Luft und redete weiter. „Ich habe an diesem Tag viele tapfere Männer getötet. Irgendwo sitzen jetzt die Mütter und Witwen und weinen um ihre Kinder oder um ihren Liebsten, ich sehe sie jede
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