Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)
Ratschläge gab, wie sie das Maultier besser lenken könne.
Schließlich sahen sie im langsam schwindenden Tageslicht den runden Bergfried von Straußberg über den Baumwipfeln. Die Pferde des ritterlichen Gefolges wurden von allein schneller, sie witterten den heimatlichen Stall. Gespannt richtete sich Adelheid im Sattel auf und straffte ihren schmerzenden Rücken. Burg Straußberg war vom Westen her erst zu sehen, wenn die mächtigen Kalksteinmauern den Blick zwischen den hellgrauen Stämmen der Rotbuchen bereits versperrten. Der erste Eindruck weckte vertraute Gefühle in der jungen Frau, denn die Mauern waren wie auch die von Lare aus Kalkstein erbaut. Das weißgelbe, zum Teil blättrige Gestein lieferten die Steinbrüche der Umgebung in Hülle und Fülle. Frondienstleistende Bauern hatten die Mauerblöcke mit Ochsenkarren herangeschafft, nachdem sie von Steinmetzen grob vorgehauen worden waren. Der Bergfried jedoch ließ keine Verwechslung mit Lare zu, sein Grundriss war nicht quadratisch, sondern kreisförmig rund, was Adelheid schon als Kind fasziniert hatte. Sie fand diesen mächtigen, wehrhaften Turm wesentlich ansehnlicher als den klotzigen Bergfried ihrer Heimatburg.
Als sie auf das Haupttor zu ritten, bemerkte sie mit kritischem Blick, dass die gesamte Feste ein wenig heruntergekommen aussah. Der Burggraben war verschlammt und voller Froschlaich, die heruntergelassene Zugbrücke musste dringend gereinigt werden. Dafür erwartete sie im Innenhof eine Überraschung: Der Weg zum Palas war mit Veilchen und Waldanemonen bestreut. Links und rechts stand das Gesinde Spalier und blickte ihnen erwartungsvoll entgegen. Offenbar hatten sie sich bemüht, auch selbst etwas feierlich auszusehen. Die Frauen trugen Blumenkränze im Haar und die Männer hatten saubere Röcke übergezogen. Adelheid, die seit vielen Jahren nicht mehr auf Straußberg gewesen war, wunderte sich über die Enge und schäbige Düsternis des Hofes und der Gebäude. Im Gegensatz zu Lare war die Kernburg so klein, dass selbst ein erfahrener Kutscher einige Mühe haben musste, hier ein Fuhrwerk zu wenden.
Das Gefolge des Ritters war bereits im Vorhof abgesessen, Adelheid und Dietmar ritten allein über die zweite Zugbrücke in den Hof. Dabei gaben sie unfreiwillig eine lustige Vorstellung für das Gesinde. Während der Ritter den Grauschimmel zuerst über die schmale Brücke lenkte, fühlte Diabolus sich wieder zurückgesetzt und biss seinen verhassten Rivalen in die Kruppe, bevor Adelheid es verhindern konnte. Der Graue wieherte schmerzvoll auf und sprengte im Galopp in den engen Hof. Diabolus nahm sofort die Verfolgung auf und erst ein erfahrener älterer Stallknecht konnte den aufgeputschten Hengst in dem engen Hof mit einem Griff in die Zügel zum Stehen bringen. Adelheid sah mühsam verkniffenes Gelächter in den Gesichtern der Mägde und Knechte, die sich zur Begrüßung der neuen Herrin eingefunden hatten. Sie musste selbst lachen, als sie den Ritter fluchen hörte, der sich bei seiner Flucht nach vorn nicht gerade gut im Sattel gehalten hatte. Nachdem sie mit dem letzten Rest Würde aus ihrem Damensattel geklettert war, brachten zwei Pferdejungen die Hengste weg, sorgsam darauf bedacht, großen Abstand zwischen beiden Tieren zu halten.
Der ältere Knecht, der Diabolus gestoppt hatte, trat jetzt auf Adelheid zu und reichte ihr mit einer verlegenen Geste einen Strauß Anemonen. In seinen Augen las sie freundliche Güte. „Herzlich Willkommen auf Straußberg, Herrin. Ich überbringe die Grüße des Gesindes.“ Dann verneigte er sich und die Männer und Frauen hinter ihm folgten seinem Beispiel.
„Ich danke euch“, begann Adelheid, doch der Ritter fiel ihr ins Wort:
„Nur keine Sentimentalitäten, Rodin!“ Er fasste seine Gemahlin am Arm und zog sie zur Treppe. „Ihr kennt eure neue Herrin alle, wir wollen keine Zeit verlieren, geht an die Arbeit!“
Bevor die Leute eilig verschwanden, konnte Adelheid über die Schulter noch den ein oder anderen mitleidigen Blick empfangen. Eine dumpfe Vorahnung stieg in ihr auf, aber sie hatte keine Muße, darüber nachzudenken. Der alte Rodin verharrte noch mitten auf dem Hof und Adelheid blieb abrupt stehen, machte sich los und lief die wenigen Schritte zurück.
„Rodin, mir scheint, du kennst dich mit Pferden aus, kümmere dich bitte um Diabolus. Er ist nicht böse, nur empfindlich. Und er kennt hier niemanden.“ Sie fingerte ein Seidentuch aus ihrem kleinen Gürteltäschchen. „Hier, lass
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