Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)
ihr außerdem, die Beutel jedesmal aufzuschnüren. Endlich fand sie einen kleinen weißen Beutel mit blauem Bändchen und einem doppelt gewundenen Knoten. Er war leer.
Sie nahm das schlaffe Behältnis und hielt es bedeutungsvoll in die Höhe. Adelheid verstand sofort.
„Würdest du hier im Wald finden, was du brauchst?“
Magdalena zog die Stirn kraus, wie immer, wenn sie konzentriert nachdachte. Farne wie das Engelsüß schoben im Frühjahr frisch aus, es müssten sich gerade jetzt die ersten hellgrünen Blatttriebe aus der Erde rollen. Sie benötigte zwar die Wurzeln, aber die waren ohne die überirdischen Pflanzenteile unmöglich aufzuspüren. Sie nickte nachdrücklich und wartete auf Adelheids Entscheidung.
„Gut, dann geh jetzt gleich, nimm dir eine Magd mit, die sich im Wald auskennt und dir vielleicht helfen kann.“
Magdalena schüttelte bestimmt den Kopf, tippte sich mit dem Finger auf die Brust und hielt den Daumen der rechten Hand hoch.
„Du willst allein gehen?“
Ein bestimmtes Nicken war die Antwort. Adelheid musste ihrer Zofe Recht geben. Niemand durfte erfahren, was sie vorhatten. Selbst wenn die fremde Magd sich nicht mit Kräutern auskannte, schwatzte sie vielleicht abends am Kamin mit anderen Frauen. Wenn das Schicksal ihr übel gesonnen war, würde eine von ihnen erraten, welche Kräuter Magdalena aus dem Wald nach Hause gebracht hatte und es vielleicht dem Ritter zutragen.
Die Zofe war inzwischen auf zwei weitere, leere Leinenbeutelchen gestoßen. Ein größeres mit blauem Band und einfachem Knoten enthielt sonst Hollerblüten, deren Aufguss sehr nützlich bei Fieber oder Husten sein konnte. Sie legte ihn wieder in die Truhe zurück, allerdings ganz oben auf. Für die Blüten des Hollerbusches war es noch einige Wochen zu früh. Sie würde jetzt immer daran denken müssen, zur richtigen Zeit die richtigen Pflanzen zu sammeln. Sonst hatte die Mutter entschieden, welche Wurzel ausgegraben oder welches Blattwerk gepflückt werden musste.
Aber der waidgefärbte Beutel mit dem weißen Bändchen, der würde wohl bald wieder prall gefüllt sein. Himmelsschlüssel entfalteten im April ihre zarten Blüten. Auf dem Weg hierher hatte sie trotz ihrer panischen Angst vorm Reiten vom Rücken des Maulesels aus ganze Felder der leuchtend gelb blühenden Heilpflanze gesehen. Besonders älteren Menschen half ein Gebräu aus diesen Dolden gegen das schmerzhafte Reißen in den Knochen.
Magdalena nickte Adelheid beruhigend zu und griff nach ihrem Umhang. Es regnete zwar nicht mehr, aber die Luft war noch immer feucht und empfindlich kühl.
„Sei wachsam!“, rief Adelheid ihr nach, aber Magdalena hörte sie nicht mehr. Sie war bereits unterwegs zur Küche, um einen Korb zu suchen. Dort stand der Küchenmeister – ein kräftiger Mann mit leuchtend rotem Haar – am Feuer und rührte konzentriert in einem großen Kessel, aus dem dichte Dampfschwaden stiegen. Warmer Dunst und der durchdringende Geruch von Innereien schlugen ihr entgegen. Eine dicke ältere Magd saß an einem unappetitlich schmutzigen Tisch und rupfte mit griesgrämiger Miene ein Huhn. Die jüngere Frau neben ihr hatte bereits zwei federlose Tiere vor sich liegen und war dabei, ein drittes auszunehmen, wobei sie ununterbrochen auf die Dicke einredete.
„… und ich sage dir, sie war eine Hexe!“ Sie versuchte, sich zu bekreuzigen, stellte aber rechtzeitig fest, dass ihre rechte Hand im Huhn steckte und blutverschmiert war. Sie zögerte kurz und fuhr dann fort: „Sicher eine, die auch viel Gutes bewirkt hat. Meiner Mutter Schwester hat sie letztes Jahr ein Furunkel geheilt, schneller als der Mond wechselt, war es spurlos verschwunden. Und sie nahm fast nichts dafür. Doch dem alten Johan soll sie die Hühner verhext haben, die haben nur noch Eier mit doppeltem Dotter gelegt. Er hat sie alle verbrennen …“
Als sie Magdalena an der Tür stehen sah, brach sie erschrocken ab, so dass kein Zweifel mehr bestand, über wen sie gerade gesprochen hatte.
Magdalena grüßte mit einem deutlichen Nicken und richtete ihren fragenden Blick auf einen dicht geflochtenen Korb, der neben dem Tisch auf einer Bank stand und Gemüsereste enthielt. Wenn sie einen Teil der Unterhaltung mitgehört hatte, dann war es ihr nicht anzumerken.
„Sie will den Korb, Agnes, gib ihn ihr. Das arme Ding ist taubstumm. Offenbar eine Strafe Gottes für die Hexenkünste ihrer Mutter.“ Die jüngere Magd mit dem losen Mundwerk musterte Magdalena unverhohlen mit einer
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