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Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)

Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)

Titel: Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Knodel
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übermächtig. Ostara – eine der alten heidnischen Göttinnen, von denen niemand mehr zu reden wagte, höchstens hinter vorgehaltener Hand. Sie prägte sich die Stelle mit Hilfe eines vom Blitz gespaltenen und halb verkohlten Baumes ein, der in unmittelbarer Nähe stand. An seinem knorrigen Wurzelfuß schlängelte sich ein weiterer wertvoller Fund durchs trockene Laub. Kleine lilafarbene Blüten verzierten das sonst schlichte und unscheinbar am Boden kriechende Gewächs. Diesmal stockte Magdalenas Fuß und wie von fremder Hand gesteuert kniete sie nieder und pflückte eine Handvoll Ranken. Später konnte sie nicht sagen, warum sie dies tat, sie kannte zwar die tödliche Wirkung des Immergrüns, aber die Mutter hatte diese Pflanze niemals benutzt.
    An einer kleinen Quelle wusch sie sich gründlich die mit Pflanzensaft benetzten Hände. Kurz bevor sie wieder auf den Hohlweg stieß, der direkt zur Burg führte, entdeckte sie endlich die Pflanze, wegen der sie losgezogen war: An der Spitze noch spiralig zusammengerollt wie ein Schneckenhaus waren die frischen gelbgrünen Triebe des Engelsüß gerade aus einem umgestürzten und bereits zum größten Teil vermoderten Baumstamm gesprossen. Magdalena blickte sich suchend um und fand einen trockenen, festen Buchenast, der sich hervorragend als Grabstock eignen würde. Vorsichtig hob sie die faulige Rinde ab und begann, den Wurzelstock aus dem weichen Holzbrei heraus zu heben. Um ganz sicher zu gehen, dass es sich um die richtige Pflanze handelte, säuberte sie die fingerdicke haarige Wurzel sorgfältig und biss ein winzig kleines Stück ab, zerkaute es und spuckte die Masse gleich wieder aus. Kein Zweifel, der herb-süßliche Geschmack war unverkennbar. Sie schob ein wenig altes Laub über die aufgewühlte Stelle im Stamm und versteckte die Wurzel gewissenhaft unter den Lattichblättern in ihrem Korb. Dann machte sie sich eilig auf den Heimweg.
    Adelheid hatte den Nachmittag bei Diabolus verbracht. Der alte Rodin schien Wort gehalten zu haben, denn der Hengst war gut versorgt. Der Grauschimmel des Ritters knabberte in der entgegengesetzten Ecke des Stalles an einem Bündel Heu. Offenbar hatte Rodin umsichtig darauf geachtet, dass die beiden Hengste sich nicht sehen konnten. Diabolus stand zwar in einer etwas dunklen Ecke, von den anderen Pferden getrennt durch zwei Maulesel und eine kleine Futterkammer, doch das war ihr sehr recht. So konnte sich das Tier, dem die fremde Umgebung noch immer Unbehagen bereitete, in Ruhe eingewöhnen. Am Balken neben der Futterraufe leuchtete ihr kleines weißes Seidentuch, das sie dem alten Knecht mitgegeben hatte. Der Rappe war noch immer sehr nervös, denn die Witterung der anderen Pferde und vor allem des verhassten Grauschimmels waren natürlich hier im Stall übermächtig. Umso erfreuter klang sein trompetendes Wiehern, als er Adelheid erblickte. Nachdem sie den Hengst mit einer Handvoll frischem Hafer begrüßt hatte, sah sie sich mit kritischen Blicken um. Sie bemerkte, dass der Stall zwar sauber und gut gelüftet war, was offensichtlich auf gewissenhafte Arbeit seitens der Stallknechte schließen ließ, aber eine gewisse Vernachlässigung des Gebäudes war nicht zu übersehen. An den Verschlägen fehlten mitunter einzelne Bretter, die Heuraufen waren von gelangweilten Gäulen zernagt und scheinbar längere Zeit nicht ausgebessert worden. Der gestampfte Boden wies mitunter größere Löcher auf und im Heuboden über ihrem Kopf zeigten sich gefährliche Lücken, die einem unaufmerksamen Knecht zur Todesfalle werden konnten, wenn er beim Heruntergabeln des Futters danebentrat und herabstürzte. Mit gerunzelter Stirn nahm sie all die Dinge wahr, die auf Lare einen strengen Verweis des Burgherrn zur Folge gehabt hätten, wenn er ihrer ansichtig geworden wäre. Sie nahm sich vor, mit Rodin bei nächster Gelegenheit darüber zu reden.
    Die Stalltür öffnete sich quietschend und zwei Knechte traten herein. Adelheid drückte sich neben Diabolus an die Holzwand seines Verschlages. Sie wollte jetzt niemandem begegnen. Die beiden Männer begannen, die Pferde des ritterlichen Gefolges zu satteln und waren so tief in ihr Gespräch versunken, dass sie die junge Frau in der Ecke nicht bemerkten.
    „Hast du den Hengst der jungen Herrin gesehen? Ein prächtiges Tier!“, hörte sie eine jungenhafte Stimme, die, mit kleinen Quietschern versetzt, ständig die Tonlage wechselte.
    „Ja, aber komm ihm bloß nicht zu nahe, er kann ein wahrer Teufel sein.

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