Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)
Mischung aus Neugier und Abscheu. Agnes dagegen nickte ihr freundlich zu.
„Gott schütze deine Wege!“, grüßte sie und Magdalena fiel auf, dass ihre Stimme heiser klang. „Du kannst ihn haben, aber schütte die Abfälle zunächst draußen in den Schweinepferch.“
Sie machte ein paar erklärende Gesten zu ihren Worten, als sie den Weidenkorb übergab, aber sie schien zu spüren, dass Magdalena sie auch ohne diese Zeichen verstehen konnte.
Nachdem das Mädchen mit dem Korb unter dem Arm zur Tür hinaus war, zischte sie die jüngere Magd an: „Hüte dein loses Maul, die Kleine spricht zwar nicht, aber sie hört gut, darauf kannst du Gift nehmen. Wenn sie nur ein klein wenig von ihrer Mutter gelernt hat, dann kann es passieren, dass deine Hühner bald Eier mit doppelten Dottern legen! Und jetzt achte darauf, dass die Hühnergalle nicht die ganzen Innereien verdirbt, du weißt, dass der Herr Wert auf das Herz legt!“
Ihr Gegenüber riss erschrocken die Augen auf und machte sich beflissen wieder über das Huhn her.
Magdalena gelangte durch das äußere Tor nach draußen, ohne dass sie jemandem Rechenschaft über das Wohin ablegen musste. Der Torwächter und einige Reisige hatten ihr zwar neugierig nachgesehen, sie dann aber unbehelligt ziehen lassen. Sie lief den Weg zurück, den sie auf dem Maultier gekommen war. Jetzt, wo sie ihre eigenen Füße benutzen konnte, fühlte sie sich frei und ungezwungen. Für einen Moment vergaß sie, wie übel ihr das Schicksal in den letzten Wochen mitgespielt hatte und ein trügerisches Glücksgefühl nahm von ihr Besitz, während sie den Korb schwenkend in den Wald hinein rannte. Es dauerte nicht lange, bis sie im lichten Zartgrün des Unterholzes die ersten Himmelsschlüssel gelb leuchten sah. Sie kniete nieder und begann vorsichtig, die kleinen trichterförmigen Blüten mit den Fingernägeln abzukneifen, wobei sie gewissenhaft darauf achtete, nicht zu viele Blüten an derselben Stelle zu pflücken, um den Anblick des hell leuchtenden Teppichs nicht zu verderben. Immer weiter gelangte sie vom Hohlweg ab und vergaß über der so vertrauten Beschäftigung die Zeit. Als der Korb halbvoll war, richtete sie sich mit schmerzendem Rücken auf und sah nach dem Stand der Sonne. Mittag war überschritten. Adelheid würde sich Sorgen machen, wenn sie zu lange ausbliebe. Sie hatte jedoch bisher noch keinen Farnwedel entdeckt, mit dem sie den Wunsch ihrer Herrin erfüllen konnte. Ihr Blick fiel auf ein paar saftige dunkelgrüne Blätter des Brustlattichs und die raue Stimme der Magd Agnes kam ihr wieder in den Sinn. Zwar hatte sie noch getrockneten Lattich in ihren Vorräten, aber die alten Kräuter mussten sowieso durch frischen Nachschub ersetzt werden. Was hatte sie über den Brustlattich gelernt?
„Heilsam der Guss bei allen Gebrechen der Brust
und am Halse auch,
verbrennst du die Blätter, hilft der Rauch.
Wirksam das frische, zerstoßene Blatt bei dem,
der entzündliche Hautstellen hat.
Doch pflückst du den Lattich Maria Himmelfahrt,
bringt er Unglück aller Art.“
Den letzten Satz hatte die Mutter immer mit mahnend erhobener Stimme ausgesprochen. Nun – bis zum August war es noch lange Zeit, sie kniete nieder und pflückte drei große Blätter, zwei ließ sie der Pflanze für weiteres Wachstum. Das grüne Blattmus würde sie Adelheid statt der nicht mehr frischen getrockneten Kamille auf die wunde Kopfhaut legen, für die Magd Agnes mit ihrer Heiserkeit konnte sie noch immer die restlichen Blätter trocknen.
Sie legte die großen, glattglänzenden Pflanzenteile sorgsam an den Rand des Korbes, bemüht, die empfindlichen Blüten der Himmelsschlüssel nicht zu zerdrücken. Dann begab sie sich auf den Heimweg, immer noch mit suchenden Augen und sei es nur, um sich den Wuchsort einer frisch aufkeimenden Pflanze einzuprägen, um sie später schnell wiederzufinden. Plötzlich blieb ihr geübter Blick an einigen länglichen Blättern hängen, die wie zu einem kleinen Strauß gebunden aus dem trockenen Laub des Vorjahres herausragten. Maiglöckchenkraut! Noch war nichts von den kleinen weißen Blüten zu sehen, die später wie aufgereihte Perlen an dem zarten Stängel hängen und die Umgebung in einen betörenden Duft einhüllen würden.
Pflückst du es vor der Sonnenbahn –
wende es bei Schlagfluss an,
für die Göttin Ostara gebrochen –
sei Glück in der Liebe versprochen.
Magdalena schloss für einen Moment die Augen, wieder war die Stimme der Mutter in ihr
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