Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)
es ruhiger geworden, anscheinend hatte die Kreißende keine Wehen mehr. Gedämpfte, aber noch immer geschäftige Geräusche drangen durch den dicken Vorhang. Als sie geendet hatte, blickte sie auf und sah Achtung in den Augen Folkmars. Doch er war noch nicht zufrieden.
„Erzählt mir von Eurem Eid!“
„Woher wisst Ihr davon?“ Adelheid zog erstaunt eine Augenbraue in die Höhe.
„Ich habe die Mägde belauscht, die mein Bett richteten. Sie glaubten, ich würde schlafen.“ Er lächelte spitzbübisch wie ein kleiner Junge, der einen Regenwurm im Kohl versteckt hat.
„Mir scheint, Ihr seid ein Spion, Folkmar von Walkenried! Ein Spion ohne Gedächtnis! Oder gehört das Vergessen zu Eurer Tarnung?“ Adelheid hatte lange nicht mehr laut gelacht, doch jetzt musste sie es tun.
„Oje, ich bin enttarnt! Welche Strafe gedenkt Ihr mir zu?“ Folkmar blieb scheinbar ernst, aber seine Mundwinkel zuckten verräterisch.
„Nun, das hängt davon ab, für welchen König Ihr spioniert!“
„Wieso, wie viele Könige haben wir denn?“ Seine Verblüffung schien jetzt echt.
„Im Moment sind es zwei, König Heinrich IV., der sich allerdings inzwischen zum Kaiser hat krönen lassen und sein Gegenkönig Herrmann von Salm. Gesteht, wessen Vasall seid Ihr?“
„Nun, wer ist denn der bessere König?“ Folkmar blieb um keine Antwort verlegen, der Schalk verlieh seinen Zügen eine jugendliche Weichheit.
„Im Grunde genommen taugen sie beide nicht viel, aber wenn ich die Wahl hätte, würde ich doch den rechtmäßigen Kaiser Heinrich vorziehen.“
Der Vorhang wölbte sich und Magdalena trat ein. Sie hatte getrocknetes Blut an den Armen und ihr Blick wanderte müde über die beiden vom Scherzen erhitzten Gesichter, die ihr erwartungsvoll entgegenblickten. Sie ging zur Truhe, um zwischen den Kräutersäckchen zu wühlen.
„Was ist? Geht es Mutter und Kind gut?“ Adelheid spürte eine dumpfe Vorahnung in sich aufsteigen und das schlechte Gewissen, gelacht und gescherzt zu haben, während nebenan um zwei Leben gekämpft wurde, meldete sich.
Magdalena antwortete mit dunkler Stimme, ohne von ihrem Tun aufzublicken: „Das Kind ist tot. Die Hebamme musste es im Leib zerschneiden. Anna lebt noch, aber wir wissen nicht, wie lange.“ Jetzt hatte sie gefunden, was sie suchte und verließ mit einer trockenen gelblichen Wurzel in der Hand eilig den Raum.
Eine drückende Stille blieb zurück. Folkmar legte den Kopf vorsichtig in die Kissen zurück und schloss die Augen. Adelheid dachte an ihre Mutter, die bei ihrer Geburt gestorben war. Ob sie auch so gelitten und so entsetzlich geschrieen hatte?
Als sie glaubte, Folkmar sei eingeschlafen, erhob sie sich und schlich zum Vorhang. Hinter sich hörte sie seine leise Stimme: „Es ist nicht recht.“
Erstaunt drehte sie sich um. „Was meint Ihr?“
„Dass Frauen sterben müssen, wenn sie Gottes Wort erfüllen.“
Adelheid sah ihn erstaunt an. Sie konnte sich nicht erinnern, von ihrem Vater oder gar von ihrem Ehemann jemals ein mitfühlendes Wort über die Geschicke von Frauen vernommen zu haben. Selbst Ludwig hatte sicher nie darüber nachgedacht.
„Über Gottes Wege nachzudenken, lohnt sich gewiss nicht. Ich habe es seit längerer Zeit aufgegeben.“ Ihre Stimme klang bitter.
Wenn er darüber verwundert war, ließ er es sich nicht anmerken. Trotzdem wechselte er das Thema. „Ihr wolltet mir noch von Eurem Eid erzählen!“
Adelheid zögerte, sie hatte gehofft, er würde nicht noch einmal davon beginnen. Schließlich setzte sie sich seufzend erneut an sein Bett und begann mit leiser Stimme zu berichten, was sie am steinernen Kreuz im Helbetal geschworen hatte.
„Wie viele Männer mussten für dieses Versprechen bereits sterben?“, fragte Folkmar ernst und tastete nach ihrer Hand. Sie gab sie ihm und wunderte sich insgeheim über dieses angenehme Kribbeln, welches seine Berührung in ihr auslöste. Dabei fiel ihr gar nicht auf, wie ruhig sie bei dieser doch sehr provokanten Frage blieb, als wäre es selbstverständlich, hier vor ihm Rechenschaft abzulegen.
„Ein Mülhuser stürzte vor einigen Tagen ab, als Ihr noch in Ohnmacht lagt. Ein Ritter hatte sich im letzten Jahr die Mauer angesehen, ohne es zu wagen, ein weiterer gab nach der halben Strecke auf. Dem Mülhuser geschah jedenfalls Recht, er war der Bruder von diesem verruchten Godhart!“
„Godhart von Mülhusen?“, fragte er sinnend.
„Ja! Kanntet Ihr ihn?“
„Oh nein, das heißt – ich weiß es nicht!
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