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Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)

Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)

Titel: Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Knodel
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hilflosem Erstaunen, wie er aus dem Sattel glitt und fiel. Ein einzelner spitzer Schrei drang vom Bergfried her an sein Ohr, einen Moment bevor sein Kopf auf einer Kalksteinplatte aufschlug, die aus dem stinkenden Uferschlamm herausragte. Den Entsetzensschrei der Menschen auf der Vorburg konnte er bereits nicht mehr hören.
    Noch vom Bergfried herab rief Adelheid ihre Anweisungen in den Hof hinunter. Der Mann sollte so schnell wie möglich hereingeholt werden, vielleicht konnte ihm noch jemand helfen. Den alten Marshalk schickte sie mit den Pferdeknechten zur Mauer, damit sie sich um den Schimmel kümmern konnten, der mit gesenktem Kopf führerlos in schwindelnder Höhe stand.
    Als Robert und zwei Knechte mit einer Trage am äußeren Burggraben endlich bis zu der recht unzugänglichen Unglücksstelle vorgedrungen waren, hatte ein besonders dreister Bettler dem Toten bereits die schwarzen Schnabelschuhe gestohlen. Wetzels zerschmetterter Körper lag zum Teil im schlammigen Schmelzwasser und die Knechte fluchten laut, weil sie in dem steilen Graben Mühe hatten, nicht auszurutschen und ein unfreiwilliges eiskaltes Bad zu nehmen.
    Robert schaffte es in kürzester Zeit, den Leichenfledderer unter dem bunt gemischten Volk vor der Burg ausfindig zu machen, denn der war immerhin dumm genug, die Schuhe protzig zu tragen. Zwei Bewaffnete schleiften ihn zum Tor, wo Adelheid gerade beobachtete, wie Wetzels Leiche seinem Neffen übergeben wurde. Noch an Ort und Stelle verurteilte die Gräfin den Dieb und ließ ihm die rechte Hand abschlagen. Der Tote bekam seine Schnabelschuhe zurück und die Mülhuser Reiter verließen schweigend auf ihren Pferden die Burg. Dem braven Apfelschimmel hatten die Knechte seinen leblosen Herrn wie ein Paket verschnürt quer über dem Sattel gelegt. Godhart von Mülhusen ritt mit demselben stoischen Gesichtsausdruck davon, wie er gekommen war. Wetzels Neffe hatte während der zwei Tage auf Lare kein Wort mit Adelheid geredet.
    Als der letzte Pferdeschweif im Wald verschwunden war, befahl Adelheid den Wachen das Volk zu zerstreuen, drehte sich um und schritt mit unbeteiligtem Gesicht den Weg über die Vorburg zurück zum Palas. Über dem Gesindehaus stand die Sonne bereits sehr tief und umgab die Herrin mit einem geheimnisvollen Schein, der silbrig wie Irrlichter im Sumpf ihren dunklen Mantel umhüllte. Das Getuschel des Gesindes hinter vorgehaltenen Händen und die verstohlenen Blicke der bewaffneten Wachen bemerkte sie nicht. Die Bewohner von Lare, die Adelheid wegen ihrer Großmütigkeit geliebt, wegen ihrer Gleichgültigkeit zunächst belächelt und später verurteilt hatten, fürchteten sie jetzt ob ihrer unerwarteten Grausamkeit. So mancher böse Blick fixierte auch Magdalena, die an der Seite ihrer Herrin ging.

E ine Woche später kehrte der Winter zurück. Als wolle er Vergeltung üben für die sonnigen Tage im Jänner, sandte er ohne Unterlass Graupelschauer und nasse Schneeflocken über das Land. Die Menschen, deren Frühlingsgefühle bereits erwacht waren, verkrochen sich frierend und enttäuscht wieder in die Hütten und Häuser.
    Anna, die Frau des Mundschenks, lag in den Wehen. Obwohl sie bereits mehrere Kinder geboren hatte, dauerte die Geburt diesmal ungewöhnlich lange. Irgendetwas schien nicht zu stimmen. Magdalena bat Adelheid, die Pflege des Walkenrieders zu übernehmen, damit sie der alten Hebamme helfen konnte. Seit vierundzwanzig Stunden gellten die Schreie der Kreißenden über das Gelände der Burg und prallten an den kalten Mauern ab. Knechte und Mägde schlichen bedrückt durch die Gänge und mehr als einmal fragten sie sich, woher die Frau noch die Kraft nahm.
    Adelheid saß oben am Fenster der Krankenkammer und lauschte dem stürmischen Wind, der an den Fensterrahmen rüttelte. Nach dem plötzlichen Kälteeinbruch hatten die Diener die mit Pergament bespannten Flügel wieder eingesetzt. Gerade drang wieder ein gequälter Schrei aus der Kemenate, gefolgt von beruhigenden Worten der Hebamme, die längst nicht mehr so sicher klangen wie am Vortag. Adelheid hörte Magdalenas ruhige Stimme, konnte jedoch ihre Worte nicht verstehen. Als sie sich zum Vorhang umdrehte, begegnete sie dem Blick zweier dunkelblauer Augen. Folkmar war erwacht, was bei dem Lärm nebenan kein Wunder darstellte. Wieder fiel ihr auf, wie perfekt der intensive Blick auch in das Mienenspiel ihres Bruders Ludwig gepasst hätte. Durch diese Ähnlichkeit kam eine Vertrautheit in ihr auf, die sie vergessen

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