Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)
den Goseckern schon immer ihren Besitz neideten.“
Adelheid nickte. „Ich habe davon gehört, es konnte wohl niemandem nachgewiesen werden, der Mord blieb ungesühnt.“
„Ja!“, zischte er durch die Zähne, „alle wissen, wer es gewesen ist, aber niemand hat Beweise oder will gegen sie aussagen! Wenn der Pfalzgraf nur noch ein wenig jünger gewesen wäre, er hätte sie in der Luft zerrissen, die feigen Meuchelmörder! Aber er war müde und krank …“
„Und jetzt sind die Sommerschenburger an der Macht?“
„Die Schwester des Pfalzgrafen ist eine von Sommerschenburg. Ihr Mann hat die Pfalzgrafenwürde übernommen. Friedrichs Enkel führt zwar das Gosecker Blut weiter, ist aber mit seinen drei Jahren viel zu jung.“
Adelheid rückte noch ein Stück näher an ihn heran, die Dämmerung brachte frische Kühle übers Tal. „Dein Freund hat einen Sohn? Aber …“
„Er hat ihn nie gesehen. Am Tag, als er erschlagen wurde, wollte Adelheid – seine Frau trägt denselben Namen wie du – sie wollte ihm sagen, dass sie ein Kind erwartet.“
„Er hat es also nie erfahren. Und die junge Witwe ist inzwischen mit Ludwig dem Springer verheiratet, stimmt’s?“
Folkmar knirschte hörbar mit den Zähnen: „Der alte Bock hatte schon länger ein Auge auf sie geworfen, für ihn kam Friedrichs Tod gerade recht. Es gibt nicht wenige, die sogar behaupten, er hätte ihn ermordet.“
Er spürte ihr Frösteln und legte seinen Arm um sie. „Meinst du nicht, wir sollten hineingehen? Du frierst!“
„Nein, ich habe noch so viele Fragen! Wie stehst du zum Kaiser? Hast du etwa auch gegen ihn gekämpft?“ Sie konnte fühlen, wie er sich versteifte.
„Und wenn, was wäre so schlimm daran? Findest du alles in Ordnung, was er tut? Ist er nicht wie eine Schlange, die sich windet ohne Rückgrat? Kriecht vor dem Papst, tritt seine eigene Ehre mit Füßen. Er ist ein Weichling, der nicht merkt, dass alle Welt über ihn lacht.“
„Aber er ist nun mal der rechtmäßige Kaiser! Was kann er dafür, dass sein Vater zu früh verstarb? Hätte der Erzbischof Adalbert ihn nicht entführt – du weißt, er war noch ein Kind, genau so alt wie der Sohn deines ermordeten Freundes – dann hätte er mit Hilfe seiner Mutter das Reich besser zusammenhalten können. Stattdessen mussten sich diese Kleriker die Macht unter den Nagel
reißen, kein Wunder, dass der König sie hasst wie die Pest!“
Inzwischen war es vollends dunkel geworden und über den Außenmauern der Burg hing der Widerschein der vielen Feuer, die östlich des Grabens brannten. Folkmar, dem das rechte Bein nach dem langen Sitzen schmerzte, kletterte mühsam von der Mauerkrone und sagte laut seufzend: „Politisch gesehen wird es in unserer Ehe sicher nie langweilig!“
Die Hochzeit fand an Maria Himmelfahrt statt, und noch lange danach sprachen die Menschen in der Umgebung von Lare über dieses Fest. Wann hatten sie schon einmal so prächtige Kleider gesehen, so viele feine Herren und edle Frauen in Brokat und Seide, so herrliche Pferde mit golden schimmerndem Zaumzeug und blanken Ebenholzsätteln? Adelheids Tante Gertrud mit ihrem Gemahl Graf Heinrich von Northeim, der wegen seiner mächtigen Leibesfülle den Beinamen „der Fette“ trug, waren wohl die am meisten bestaunten Gäste. Die Familie derer von Northeim gehörte zu den reichsten Sippen alten Adels in Norddeutschland. Sie waren mit einem beachtlichen Hofstaat angereist, selbst ihr Sohn Otto und die einjährige Tochter Richenza verfügten über eine eigene Kammerzofe.
Die kleine Burgkapelle platzte während des Gottesdienstes fast aus den Nähten. Zum ersten Mal kam Adelheid der Gedanke an eine neue Kirche nicht mehr so abwegig vor. Ihre erste Hochzeit fiel ihr ein, als sie im strömenden Regen über den Hof gestolpert war. Wie unglücklich war sie damals gewesen und hatte nicht einmal geahnt, dass ihr das Schlimmste noch bevorstand. Damals hatte sie auch darüber nachgedacht, dass eine neue Kapelle unbedingt trockenen Hauptes zu erreichen sein müsste. Vielleicht könnte ein Eingang vom Palas her … Energisch schüttelte sie die Gedanken ab, sie musste sich konzentrieren. Diesmal wollte sie das Jawort nicht verpassen, denn schließlich gab sie es aus vollem Herzen.
Das Abendessen nahm die Gesellschaft auf dem Hof ein, wo lange Tafeln aufgebaut waren, die sich unter dem Essen bogen. Der Truchsess hatte seit einer Woche fast ununterbrochen in der Küche gestanden, um das Festmahl vorzubereiten. Nach der
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