Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)
schrie und sich nicht mehr in den verborgenen Winkel zurückdrängen ließ, in den es verbannt worden war: Folkmar! Er hatte sich seit seiner Abreise nie wieder gemeldet. Aber wie sollte er auch. Hatte sie ihm nicht geradezu befohlen, sie zu vergessen? Und selbst wenn er es täte, es würden nur alte Wunden aufreißen. Ärgerlich schüttelte sie den Kopf und traf im nächsten Moment erneut den Blick des Ritters, der ihr seltsam wissend erschien.
Wie erwartet, gestaltete sich die Probe auch diesmal zu einem Volksfest. Nachdem es sich bei den Menschen in der Grafschaft Lare herumgesprochen hatte, dass dieser Wettkampf zwischen Mauer und Reiter wirklich mit allen Konsequenzen ausgetragen wurde, kamen noch mehr Schaulustige als beim letzten Mal. Das Gelände um die Mauern im Osten glich einem Heerlager. Gottschalk hatte den vergangenen Tag genutzt und die Mauer genau inspiziert. Er war mehrere Runden auf ihr entlanggelaufen, so dass die Knechte schon spotteten, er kenne die Steine jetzt persönlich und werde wahrscheinlich das Pferd auf seinem Rücken tragen. Ganz besonders gründlich untersuchte er die Stelle, an der Godharts Bruder abgestürzt war. Ein Risiko konnte er jedoch nicht entdecken, war doch tatsächlich ein Kronenstein wie der andere. Die einzige wirkliche Tücke dieser Krone war, dass sie außerordentlich gut behauen war und damit für die Hufeisen der Pferde gefährlich glatt werden konnte.
Der Beginn der Probe sollte nach der Prim sein. Als die Glocken der Burgkapelle die Messe einläuteten, drängte sich draußen vor den Toren bereits das einfache Volk und stritt um die besten Plätze, was zum Teil in handfeste Prügeleien ausartete. Wetten wurden abgeschlossen und manch einer setzte sein bescheidenes Vermögen aufs Spiel. Die Wachen am Tor hatten wieder einmal alle Hände voll zu tun. Nicht selten mussten sie mit der Breitseite ihrer Schwerter schmerzhafte Hiebe austeilen, um die Rangeleien in den vordersten Reihen zu schlichten.
Endlich tat sich etwas auf der Vorburg. Die Leute reckten die Hälse. Das vornehme Äußere des Ritters hatte sich bis in die letzte Hütte herumgesprochen und jeder wollte wenigstens einen kurzen Blick auf den Reiter erhaschen. Nachdem Gottschalk die Rampe hinaufgeritten war und oben auf der Mauer erschien, hielt er einen Moment inne, als wolle er allen Gelegenheit geben, ihn ausgiebig zu betrachten. Dann lenkte er den rotbraunen, feingliedrigen Hengst herum und trieb ihn mit einem leichten Schnalzen an. Die Zügel hielt er locker, das Tier würde den Weg allein finden.
Aus dem Geschrei der Leute klangen erste erstaunte Rufe heraus: „Seht! Was hat sein Pferd an den Fesseln?“
„Nun schaut euch das an! Er hat ihm Lappen um die Hufe gewickelt! Was für eine kluge Idee!“
Der Hufschmied, der Pferd und Reiter von der Vorburg aus beobachtete, schmunzelte in seinen dichten Schnauzbart hinein. Er hatte gestern Abend die Hufeisen von Gottschalks Pferd überprüft und beide Männer führten anschließend bei einem Krug Bier ein sehr freundschaftliches Gespräch. Daraufhin hatte der Mann vier feste Lederlappen mit Riemen aus einer eisenbeschlagenen Truhe hervor geholt und sie dem Ritter gegeben, der sich mit einem herzlichen Händedruck verabschiedete.
Mit dieser Idee hatte sich der fremde Reiter endgültig die Herzen der einfachen Leute erobert und sie feuerten ihn von der anderen Seite des Burggrabens lautstark an. Adelheid stand mit Magdalena auf dem Bergfried und verfolgte den Mann mit starrem Blick. Sie wusste nicht, worauf sie hoffen sollte, sie wollte nur, dass dieser Wahnsinn endlich ein Ende habe. Doch egal wie dieser Ritt ausging, sie saß in einer Zwickmühle. Entweder sie stellte sich mit einer Heirat gegen den Kaiser, was Krieg bedeuten würde, oder es war wieder ein Leben sinnlos vergeudet.
Gottschalk, der die Runde auf der Mauer in der entgegengesetzten Richtung absolvierte, um nicht zu lange gegen die im Osten stehende Sonne reiten zu müssen, war inzwischen an der Stelle angelangt, die Wetzel den Tod gebracht hatte. Ohne zu zögern, schritt sein kupferglänzendes Pferd darüber hinweg. Die Menge am Burggraben tobte und jubelte. Der Mann hob die rechte Hand und winkte den Menschen zu. Adelheid glaubte zu verstehen, warum sie ihn so liebten. Er beachtete sie und nahm sie wahr. Sie begann zaghaft zu hoffen, er möge es schaffen. Er war der Burgherr, auf den sie gewartet hatten. Jetzt ritt er um die kleine Aussichtsplattform im Nordosten und es begann das
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