Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)
Straußberg hören konnten. Die Menschen, die ohnehin schon in Feststimmung gewesen waren, nahmen diesen neuen Anlass zum Feiern begeistert auf. Sie fassten sich an den Händen und tanzten auf den Wiesen vor dem Burggraben. Die Geschichtenerzähler spannen bereits die feinen Fäden ihrer eigenen Versionen, mit denen sie übers Land ziehen und in Städten und Dörfern von dieser abenteuerlichen Liebesgeschichte berichten würden.
Adelheid, die keine andere Möglichkeit sah, als Gottschalks Bitte zuzustimmen, war überglücklich. So konnte ihr geheimster Wunsch doch in Erfüllung gehen, sie würde Folkmar heiraten! Mit strahlendem Gesicht sah sie sich nach Magdalena um, die neben Johannes stand und zufrieden lächelte. An diesem Tag gab es wohl niemanden auf Lare, der nicht glücklich gewesen wäre, abgesehen von den Pechvögeln, die gegen Gottschalk gewettet und ihr Hab und Gut verloren hatten. Auf der Vorburg und hinter dem Graben wurde gesungen, getanzt und gelacht, Wein floss in Strömen und gegen Abend zündeten die Knechte Feuer an, über denen sich bald ein paar eilig geschlachtete Schweine drehten. In dieser Nacht war Lare eine leicht einnehmbare Festung.
Adelheid hatte sich mit Folkmar auf ihr Mauerplätzchen zurückgezogen. Sie dachten nicht mehr daran, dass vor wenigen Stunden auf dieser Mauer ihr Schicksal entschieden wurde. Sie hielten sich aneinander fest, als befürchteten sie, von unsichtbarer Macht wieder getrennt zu werden. Eine Weile spürten sie nur die Nähe des anderen, ohne Worte zu verlieren. Irgendwann siegte Adelheids Neugier.
„Erzähl mir, wie es dir ergangen ist, nachdem du abgeholt wurdest! Hast du deine Vergangenheit wiedergefunden?“
Er nickte versonnen. „Mein Knappe Thammo hat mir auf dem furchtbar rüttelnden Gefährt bereits einiges wieder ins Gedächtnis zurückgerufen.“ Sein Gesicht verzog sich bei der Erinnerung an die unbequeme Fahrt schmerzhaft. „Es war, als fügten sich einzelne Bruchstücke plötzlich zu einer Geschichte zusammen. Wahrscheinlich hätte ich meinen Kopf schon früher einmal richtig durchschütteln lassen sollen. Als ich dann auf unserem Hof in Walkenried ankam, erkannte ich auch die Gebäude und das Gesinde sofort wieder und fand mich gut zurecht.“
„Und – deine Eltern?“
„Nun ja, meine Mutter starb im vergangenen Herbst, mein Vater ist seitdem ein wenig durcheinander. Er hat sie sehr geliebt, weißt du. Unser Verwalter hatte ihm gar nicht gesagt, wie schlecht es mir geht. Er hätte es nicht begriffen.“
„Wie traurig!“ Adelheid griff vorsichtig nach seiner linken Hand. Eine dicke rosa Narbe lief von der Wurzel des kleinen Fingers hinüber zum Daumen. Der Mittelfinger war etwas krumm geblieben, sonst konnte er die Hand wieder vollständig benutzen.
„Deine Zofe versteht ihr Werk! Ich hatte nicht geglaubt, wieder so gut zugreifen und auch laufen zu können.“
„Jetzt kann sie endlich ihren Johannes heiraten! Lang genug haben die beiden auf mich Rücksicht genommen.“
„Du meinst, Magdalena wird dann die Edelfrau vom Straußberg?“
„Warum nicht? Denkst du, sie ist zu gering vom Stande? Nun – ich werde sie großzügig ausstatten mit Land und Gütern, keine Sorge. Sie hat mir treu und uneigennützig gedient. Ich habe ihr sehr viel zu verdanken.“ In Gedanken fügte sie hinzu: Und ich muss den Tod ihrer Mutter sühnen. Noch immer geisterten die schrecklichen Bilder von Fortunatas Tod durch ihr Bewusstsein. Doch noch etwas wollte ihr nicht aus dem Kopf.
„Dieser Gottschalk – ist er ein sehr guter Freund von dir?“
Erstaunt sah Folkmar sie an. „Natürlich, hätte er sonst sein Leben für mich gewagt? Ich klagte ihm mein Schicksal und bat ihn, mich besser reiten zu lehren. Er meinte, das würde zu lange dauern. Es war seine Idee, für mich die Mauer zu bezwingen. Ich beschrieb sie ihm, so gut ich sie in Erinnerung hatte. Er ist ein sehr guter Reiter und fand, dass es möglich sein müsse. Die Idee mit den Lederlappen kam von deinem Hufschmied.“
„Ich frage eigentlich nur wegen dem Kaiser. Soviel ich weiß, kämpfte Friedrich II. gegen Heinrich, wenn Gottschalk zum Lager der Sachsen gehört, dann …“
„Was ist dann? Ich will dir gleich reinen Wein einschenken. Wie du weißt, habe auch ich Friedrich II. gedient, zuletzt bis zu seinem Tod in Volkenroda. Sein Sohn, Gott hab ihn selig, war mein Milchbruder und später bester Freund. Er wurde vor vier Jahren hinterrücks ermordet von habgierigen Königsvasallen, die
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