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Adieu, Sir Merivel

Adieu, Sir Merivel

Titel: Adieu, Sir Merivel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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seinem großartigen Werk beglückwünschte.
    Und so fiel ich endlich in einen tiefen, geräuschlosen Schlaf, und erst, als ich bei Sonnenaufgang erwachte, fiel mir ein, was ich in der Nacht hätte tun sollen und nicht getan hatte. Ich hätte Louise in ihrem Bett lieben sollen.
    Es war sechs Uhr morgens. Ich ging leise über den steinernen Flur zu ihrem Zimmer und verbarg unter meinem Nachtkleid ein prächtig erigiertes Glied. Es war, als hätte mich meine köstliche geistige Erregung – verbunden mit der Vorstellung, wie ich in den heiligen Hallen der Royal Society vor den gelehrten Mitgliedern eine Rede schwang – für deren körperliches Gegenstück vorbereitet.
    Ich betrat Louises Zimmer und schlüpfte leise in ihr Bett. Sie erwachte, drehte sich zu mir, und ich küsste sie. Als sie spürte, wie ich meine Härte an sie presste, lachte sie glücklich.

26
    Für eine lange Zeit, das kann ich ehrlich sagen, war ich nun, da die Herbstfarben, die durch den Nebeldunst des Sees schimmerten, allmählich braun und blass wurden und sich überraschend die erste Winterkühle bei uns bemerkbar machte, glücklich, ich hatte meinen Frieden gefunden.
    Meine Tage folgten einem Muster süßer Gleichförmigkeit. Nach dem Frühstück ging ich stets mit Louise in ihr Laboratorium, um am Fortschritt ihrer Experimente teilzuhaben. Ich saß neben ihr und beobachtete, wie sie Kräuter und Verbindungen abmaß, mischte, erhitzte und durchseihte. Sie arbeitete an sechs verschiedenen Präparaten zur Abwehr von Fliegen, blieb aber erfolglos damit, denn die wirksamen Mittel verbrannten die Haut, und solche, die nicht brannten, schienen Insekten eher zu einer Landung auf dem Schädel des Barons zu verlocken.
    Doch Louise gab nicht auf. Eines der vielen Dinge, die ich an ihr zu bewundern lernte, war ihre Gelassenheit angesichts von Scheitern und Misserfolg. Wenn ich eine Bemerkung darüber machte, sagte sie: »Ich versuche nur, im Kleinen eurem großartigen Newton nachzueifern. Er hat gezeigt, dass auf dem Weg zur wissenschaftlichen Wahrheit fortwährend Katastrophen und Irrtümer überstanden werden müssen. Was hätte es da für einen Sinn, ärgerlich zu werden?«
    Nach vielleicht einer Stunde überließ ich sie dann ihren Versuchen und begab mich in die Bibliothek des Barons. Dort, in der duftenden Stille dieses Raums, hatte ich mich an die Lektüre von Aristoteles’ De anima gemacht und lange über seine Schlussfolgerungen nachgegrübelt, die die Seele betrafen, welche er in drei Bestandteile unterteilt. Diesebeschreibt er wie folgt: Das vegetative Seelenvermögen, das der Mensch und die Pflanzen besitzen; das sensitive Seelenvermögen, das der Mensch und die Tiere besitzen; und das vernünftige Seelenvermögen, das allein den Menschen auszeichnet.
    Auch wenn es sich als sehr schwierig erweisen würde, seine Behauptung in Zweifel zu ziehen, nur der Mensch besitze eine intelligible Seele, die sich erinnern und die wollen kann, versuchte ich zu verhindern, dass ich selbst und der Traktat, von dem ich träumte, schon über dieses erste Hindernis stolperten. Ich rief mir in Erinnerung, dass Aristoteles vielleicht im Irrtum befangen war, wenn er Kartoffeln und Kürbissen eine Seele zuschrieb. Und falls das zutraf, dann konnte er sich doch auch irren, wenn er glaubte, Tiere könnten nicht denken oder Willenshandlungen ausführen, wenn sie dazu angehalten wurden.
    Beispiele für Tierverhalten, das einen Willen vorauszusetzen scheint, gab es, wie ich wusste, viele. In dem Werk des Naturforschers Henry More hatte ich zu meinem Erstaunen von einem »Parlament der Saatkrähen« gelesen, das auf seinen hohen Schlafplätzen saß und einvernehmlich solche Vögel aus seinen Reihen ausschloss, die »abweichendes Verhalten« gezeigt hatten.
    Und wie ich mich erinnerte, spricht Plinius von einer Herde Elefanten, denen von einem grausamen Lehrer das Tanzen beigebracht worden war und die man dabei beobachtet hatte, wie sie »heimlich übten«, damit sie in der nächsten Tanzstunde nicht bestraft würden.
    Und es war doch auch kaum zu übersehen, dachte ich, dass Pferde, wie meine geliebte Danseuse, und Hunde, wie Bunting, das komplizierte System von Belohnung und Strafe, das ihre Besitzer einsetzten, weitgehend verstanden. Mit ihrem Verhalten lieferten sie doch ein Argument dafür, dass in den Köpfen dieser Tiere eine Art Denkprozess stattfand.
    Darüber hinaus hatte ich bei diesen Tieren und auch beiClarendon eine Art Verachtung von Unterdrückung und sogar

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