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Adieu, Sir Merivel

Adieu, Sir Merivel

Titel: Adieu, Sir Merivel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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er. »Meine Zeit ist gekommen. Bitte hol Huddleston und sorg dafür, dass alle das Zimmer verlassen, bis auf meinen Bruder und Lord Feversham, der Katholik ist und meine Konversion bezeugen wird.«
    »Ich werde Huddleston holen, Sire«, sagte ich, »doch ich habe nicht die Befugnis, das Zimmer räumen zu lassen.«
    »Dann bitte den Herzog von York, es zu tun. Aber zögere nicht.«
    Der Herzog von York gehörte zu den Vielen, die sich von Fubbs abgewandt hatten. Und ich sah jetzt, dass auch er weinte, weshalb es mir herzlos und unhöflich erschien, ihn darin zu stören. Trotzdem näherte ich mich ihm. Er sah mich mit absoluter Verachtung an, erlaubte mir aber trotzdem, näher zu treten, und als er meine geflüsterte Botschaft vernahm, putzte er sich sehr laut die Nase und erklärte sich bereit, das Zimmer räumen zu lassen.
    Ich eilte fort zu Huddleston, der versprochen hatte, in den Gemächern der Königin zu warten, bis er gerufen würde, und als er mich sah, wusste er, dass der Augenblick gekommen war, nahm in großer Hast die Hostie an sich, die von einem Priester der Königin geweiht worden war, und warf sich eine Perücke über den Kopf, damit niemand ihn erkannte.
    »Pater«, sagte ich, »ich fürchte, die Perücke wird nicht reichen, denn alle werden Euer priesterliches Gewand, das Ihr auf dem Leib tragt, bemerken. Warum nehmt Ihr nicht meinen Umhang? Ich lege ihn Euch um.«
    Ich hängte Pater Huddleston meinen warmen Umhang über die Schultern, und gemeinsam kehrten wir zu den königlichen Gemächern zurück, wo wir die Phalanx der Bischöfe abmarschieren sahen, die die Prozedur mit dem Klistier so fasziniert hatte. Und es freute mich, dass diese hoffärtigen Kirchenmänner aus der königlichen Gunst gefallen waren und der bescheidene Huddleston durch die seltsame Konstellation der Zeitläufte und wegen der Gewissensnöte des Königs zu so plötzlicher Bedeutung gelangt war.
    Wir lauerten draußen vor dem Schlafzimmer und täuschten so lange ein überraschendes Interesse für einen Wandteppich vor, auf dem ein Wildschwein von den Pfeilen anrückender Jäger getroffen wurde, bis der letzte der Lords und Kronräte abgezogen war. Dann erschien der Herzog von York an der Tür und bat Huddleston und mich herein, undich wollte ihm folgen, doch die Tür wurde einfach vor mir geschlossen.
    Es war ein sehr kalter Tag, und der violette Himmel versprach Schnee. Und wie ich da, meines Umhangs entledigt, vor der Tür stand, die mir so schnöde vor der Nase (welche der König häufig zu zwicken beliebte) zugeschlagen worden war, merkte ich, dass ich vor lauter Unglück zitterte, und ich musste an das eisige Grab denken, das meinen armen Herrscher erwartete – ein Grab, so kalt wie jenes, in das wir Pearce hinabgelassen hatten.
    Ich setzte mich auf eine Steinbank und barg den Kopf in den Händen. Ich wusste, dass diese beiden Männer – John Pearce und Charles II. von England – die Hüter meiner Seele gewesen waren; sie hatten sie sich gegenseitig hin und her gereicht, aber stets sicher in Händen gehalten. Was nun aus ihr werden würde, konnte ich nicht sagen, doch ich ahnte, dass ihr ein langer Absturz in die Dunkelheit bevorstand.
    Nach einer Weile kam Huddleston aus dem Zimmer und legte mir meinen Umhang wieder liebevoll über die Schultern und flüsterte: »Es ist vollbracht. Er wurde in die wahre Kirche aufgenommen.«
    Ich murmelte, das freue mich, obschon für mich eine oder keine Kirche keinen Unterschied machte bei dem, was den König erwartete, und das war das Nichts, aus dem wir kommen und in das wir zurückkehren.
    Huddleston setzte sich zu mir auf die Bank, und seine Anwesenheit tröstete mich, und ich sagte zu ihm: »Pater, wenn der König gegangen ist, bin ich verloren. Ich werde ohne jede Orientierung sein.«
    Er legte mir die Hand auf die Schulter, sagte jedoch nichts, denn auch wenn er mich nicht besonders gut kannte, wusste er, dass es absolut zutraf . Was hätte er darum Tröstliches sagen können? Und dafür schätzte ich ihn. Denn was ich in dieser Welt wirklich verachte, sind Menschen, die meinenKummer auf die leichte Schulter nehmen und sagen: »Aber, aber, nicht gleich verzagen«, und die mir erklären wollen, was ich zu fühlen hätte, aber nicht fühlen kann, und die mich trösten, wo es keinen Trost gibt.
    Wir saßen lange schweigend da. Pater Huddleston nahm seine geborgte Perücke ab und untersuchte sie nach Flöhen und Läusen. Er fand einen Floh, tötete ihn aber nicht, sondern wischte

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