Adiós Hemingway
überlebenden Nervenzellen. Schließlich zündete er sich eine Zigarette an und musterte den ehemaligen Kollegen.
»Hast du Basura vor der Tür gesehen?«, fragte er.
»Vor der Tür nicht«, antwortete Manolo, »aber drüben an der Ecke, mit ’ner ganzen Meute. Laufen hinter ’ner Hündin her …«
»Hab den blöden Köter seit drei Tagen nicht mehr gesehen. Na ja, jeder hat den Hund, den er verdient. Meiner ist völlig meschugge und rattenscharf …«
»Kann ich jetzt was sagen?«
»Nur zu. Sag, was du zu sagen hast.«
»Vergiss Hemingway und verbimmel weiter deine Bücher! Was ich dir hier mitgebracht hab, ist eine Bombe, aber so was von ’ner Bombe …«
»Wieso?«
»Der Regenguss gestern hat Crespo und El Greco die Arbeit abgenommen, und zum Vorschein gekommen ist das hier …«
Manolo warf ein Zellophantütchen auf den Tisch. Es enthielt eine Blechmarke, an der noch schwarze Lederreste hafteten. Auf dem verrosteten Blech konnte man das Profil eines Wappens erkennen. Nicht erkennen konnte man die Ziffern der Nummer darunter. Aber die drei alarmierenden Buchstaben waren ganz deutlich zu sehen: FBI.
»Um Himmels willen!«, entfuhr es Mario.
Teniente Palacios grinste süffisant. »Der hat einen Yankee-Bullen umgelegt!«
»Das will noch gar nichts heißen«, dämpfte El Conde die Begeisterung seines Ex-Kollegen.
»Ach nein? Das heißt zumindest, dass seine Wahnvorstellung, das FBI wäre hinter ihm her, nicht aus der Luft gegriffen war. Seit Jahren ist bekannt, dass die ihm tatsächlich auf den Fersen waren. Und das da ist der schlagende Beweis, Conde. Na, ist das eine Bombe, oder ist das keine?«
Mario drückte die Zigarette aus und nahm das Tütchen in die Hand. »Das kann so einiges heißen und beweisen, aber nicht alles.«
»Ja, ja, ich weiß. Wir müssen rauskriegen, ob zwischen 57 und 60 ein FBI-Agent auf Kuba verschwunden ist. Und wenn ja, was er hier gemacht hat.«
»Hemingway überwachen? Ihn erpressen?«
»Möglich. Und wenn …«
»Und wenn es nicht Hemingway war, der den Mann getötet hat, Manolo?«
»Dann kann er mich mal am Arsch lecken, Conde. Im Moment jedenfalls steht er mit beiden Beinen in der Scheiße. Bis zu den Ohren.«
El Conde stand auf und ging zum Spülbecken. Er öffnete den Wasserhahn und schüttete sich Wasser ins Gesicht und über die Haare. Dann trocknete er sich mit dem löchrigen T- Shirt, in dem er geschlafen hatte, Mund und Augen ab. Er goss den restlichen Kaffee in seine Tasse und zündete sich die nächste Zigarette an.
Der beste Beweis dafür, dass er nicht mehr so viel Alkohol vertrug, war der Schauer, der ihm über den Rücken gelaufen war, als er dem Dünnen und dem Hasenzahn seine alte Hemingway-Geschichte vorgelesen hatte. Ein unbestimmtes, unangenehmes Gefühl, das seinen Verdacht gegen den so sehr verehrten und so sehr verhassten Meister ins Wanken bringen konnte.
»Eins lass dir gesagt sein, Manolo … Ich wäre da etwas vorsichtiger. Auch wenn ich ihn gerne als Mörder überführen würde, das weißt du ja. Aber … Um einen Menschen umzubringen, muss man Eier haben, und ich bin mir nicht sicher, ob er für so was genug Mumm hatte!«
»Warum denn so böse, Conde? Hast du gestern vielleicht zu viel getrunken?«
»Komm mir nicht damit! Ich bin nicht sicher, dass ers war, das ist alles. Ich mach dir ’n Vorschlag: Halt die Blechmarke drei Tage unter Verschluss. Gib mir drei Tage.«
»Jetzt bist du total übergeschnappt! Hör mal, alle Welt weiß doch, dass Hemingway ein ganzes Arsenal von Waffen im Haus hatte. Und vom Museumsdirektor hab ich erfahren, dass er regelmäßig seine Runden um die Finca gemacht hat, und nie ohne Pistole. Sag doch mal ehrlich, Conde: Wenn du einen Mann um dein Haus rumschleichen siehst, und du hast ’ne Knarre bei dir … Da brauchst du keine Eier, Conde. Ich sags dir, vergiss die Geschichte und vertick deine Bücher. Oder fang endlich mal ernsthaft an zu schreiben. Vielleicht kriegst du dann ja ein Buch zustande und wirst ’n richtiger Schriftsteller …«
El Conde stand wieder auf und schaute durchs Fenster. Der Tag war strahlend schön, und es wurde schon langsam heiß. »Ein richtiger Schriftsteller soll ich werden, soso. Dann hab ich bis jetzt allen nur was vorgemacht, ja?«
»Sei doch nicht so empfindlich! Du verstehst mich schon.«
»Und du verstehst mich auch. Noch hast du keine Kugeln gefunden. Du weißt nicht, womit der FBI-Mann getötet wurde.«
»Ist auch gar nicht mehr nötig.«
Mario spürte eine
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