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Adiós Hemingway

Adiós Hemingway

Titel: Adiós Hemingway Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonardo Padura
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seltsame Unruhe in sich aufsteigen. Seine voreiligen Schlüsse waren, zusammen mit dem Wunsch, Hemingways Schuld zu beweisen, im Morast der Erinnerungen versunken. Dafür war die lästige Gewissheit wieder aufgetaucht, dass seine Verachtung und sein Hass nicht so stark waren wie sein altmodischer Sinn für Gerechtigkeit.
    »Vergiss nicht, dass er sich manchmal monatelang nicht auf der Finca aufgehalten hat«, gab er zu bedenken. »Möglicherweise ist während der Zeit …«
    »Was zum Henker ist mit dir los, Conde? Warum so viele Skrupel? Zunächst einmal behaupte ich nicht, dass er der Mörder war. Nur dass auf seinem Grundstück eine Leiche gefunden wurde, und in der Nähe der Leiche das da.« Der Teniente ließ die Hand auf das Tütchen mit der Blechmarke fallen.
    »Häng mal nicht so den Polizisten raus, Manolo. Die werden sich wie die Geier auf die Sache stürzen. Und was mich am meisten ankotzt: Die werden ein Politikum draus machen.«
    »Das hat er sich doch ganz alleine zuzuschreiben, oder? Sich als Guerillero aufspielen und die Kommunisten in den Himmel heben! War natürlich ganz bequem für ihn: Ein Guerillero mit ’m Fläschchen Whisky oder Gin am Gürtel, ein Kommunist mit Jacht und Geld, so viel er wollte. Ach, Conde, ich hab die Schnauze gestrichen voll von den Arschlöchern, die wie Fürsten leben und von Gerechtigkeit und Gleichheit faseln!«
    »Schau mal, Manolo …« El Conde ließ sich auf seinen Stuhl fallen und nahm wieder das Tütchen in die Hand. »Ist ja richtig, ich seh das ganz genauso, das weißt du. Aber der Tote hat jetzt schon vierzig Jahre in der Erde rumgelegen, da kommt es auf drei Tage auch nicht mehr an, oder? Halt die Marke zurück und lass das Museum noch drei Tage geschlossen. Ich werd versuchen, was rauszukriegen. Tus für mich, nicht für ihn … Nur einen kleinen Gefallen …«
    »Du bittest mich um einen Gefallen? So weit sind wir also schon gekommen. Erzähl mir bloß nicht, du hast wieder so ein Gefühl!«
    El Conde lachte, zum ersten Mal an diesem Morgen. »Nicht mal das hab ich. Nur so was wie ’ne persönliche Verpflichtung mir selbst gegenüber. Ich hab diesen Mann bewundert, aber inzwischen krieg ich Bauchschmerzen, wenn ich nur seinen Namen hör. In Wirklichkeit aber kenn ich ihn überhaupt nicht. Und ich glaube, niemand kennt ihn. Lass mich herausfinden, wer er war. Darum bitte ich dich. Vielleicht weiß ich ja dann, was passiert ist.«
    »Aber irgendwas muss ich in meinen Bericht schreiben. Du weißt doch, der Chef …«
    »Denk dir was aus, so wie ichs dir beigebracht hab.«
    »Du bringst mich in Teufels Küche, Mario Conde.«
    »Nein … Wirst schon sehen. Halt die Marke drei Tage unter Verschluss. Und lies Großer doppelherziger Strom und sag mir, was du davon hältst.«
    »Die Geschichte hab ich vor ’ner Weile schon mal gelesen. Weil du mich dazu gezwungen hast.«
    »Dann lies sie noch mal. Hör auf mich.«
    »Schon gut, ich wird sie noch mal lesen. Aber ich kapier ums Verrecken nicht, warum du einen Mann kennen lernen willst, den niemand kennt, wie du selbst gesagt hast?«
    El Conde gähnte und sah seinen ehemaligen Kollegen an. »Keine Ahnung. Ich schwörs dir, ich hab keine verdammte Ahnung. Wir richtigen Schriftsteller sind nun mal so, das muss es wohl sein, oder?«
     
    Es musste sich wohl um eine der letzten Mumien handeln. Nur ein tüchtiger Pharaonen-Einbalsamierer konnte das Wunder vollbracht haben, den Mann in den Schaukelstuhl zu setzen und mit altägyptischer Geduld Hautfalte um Hautfalte so zu präparieren, dass er ebenso lebendig wie tot aussah.
    El Conde betrachtete ihn minutenlang. Seine besondere Aufmerksamkeit konzentrierte sich auf das Meisterwerk der Hände, wo Narben, Hautpartien, Venen und Runzeln ein prachtvolles Gesamtbild ergaben. Schließlich wagte er ihn zu berühren. Langsam schoben sich die Augenlider des Alten nach oben, wie die eines schläfrigen Reptils, und zum Vorschein kamen wässrig blaue Augen, die vor dem grellen Tageslicht zurückzuckten.
    »Was ist?«, fragte eine Stimme, die zu Marios Überraschung nicht die eines Greises war.
    »Ich möchte mich mit Ihnen unterhalten, Toribio.«
    »Und wer bist du?«
    »Sie kennen mich nicht, aber Sie waren ein Freund meines Großvaters Rufino El Conde.«
    Der Alte quälte sich ein Lächeln ab. »Ein ganz gefährlicher Kerl war das, der alte Gauner …«
    »Ja, ich weiß. Hab ihm bei den Hahnenkämpfen oft geholfen.«
    »Rufino ist tot, ja?«
    »Ja, seit einigen Jahren schon. Nachdem

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