Admiral Bolithos Erbe
Nachbarschaft der Festung stand, war es wahrscheinlich, daß zumindest einige Männer der Turmbesatzung die Nacht dort verbrachten. In diesem Fall… Browne schlich zu Searle und flüsterte: »Probieren wir die Tür.«
Der Kanonier namens Jones packte den schweren Eisenring, der als Klinke diente, und drehte ihn vorsichtig. Er quietschte, aber die Tür gab nicht nach.
»Verschlossen, Sir.«
Searle winkte einen zweiten Mann heran. »Moubray, mach den Wurfanker klar!«
Browne hielt den Atem an, als der Wurfanker nach oben flog, von der Mauer abprallte und wieder zwischen ihnen aufschlug.
Doch beim zweiten Versuch fanden seine Flunken Halt, und Browne sah einen Mann an der Leine nach oben verschwinden – so schnell, als hätte die alte Kirche ihn bei lebendigem Leibe verschluckt.
Gepreßt sagte Searle: »Tüchtiger Mann. Saß als Sträfling in Lime House, bis die Werber ihn zu fassen kriegten.«
Wieder quietschte der Türring, und diesmal schwang die Tür auf. Im Spalt stand der Seemann und grinste breit.
»Kommt rein, hier drin ist’s wärmer!«
»Nicht so laut, verdammt noch mal!« Searle spähte ins dunkle Turminnere.
»Keine Sorge, Sir. Hier ist niemand mehr.« Der Seemann schob die Blende einer Laterne hoch und hielt sie so, daß ihr Schein auf eine steinerne Wendeltreppe fiel. Auf de n Stufen lag ein uniformierter Körper so verrenkt, wie er hingestürzt war; weit offene, starre Augen reflektierten das Licht.
Browne mußte schlucken. Dem Mann war die Kehle durchschnitten worden, sein Blut hatte die Wände bespritzt.
Ruhig berichtete der Seemann: »Er saß allein hier. War nicht schwerer, als einem blinden Kind die Geldbörse zu klauen.«
Searle steckte seinen Säbel in die Scheide. »Das kannst du ja beurteilen, Cooper.« Er wandte sich der Treppe zu. »Harding und Jones, macht eure Sprengladungen klar.« Dann blickte er zu Browne zurück und grinste mit schmalen Lippen. »Und wir gehen uns die Maschine ansehen, ja?«
Bolitho fuhr aus dem Schlaf hoch und packte die Armlehnen von Inchs komfortabler Chaiselongue, wo er seit Beginn der Nacht unruhig geschlummert hatte und immer wieder aufgewacht war.
Sofort fiel ihm auf, daß die Schiffsbewegungen heftiger waren und das Wasser am Rumpf lauter ablief, weil sich
Odi
n
stärker überlegte.
Bis auf den Schein einer einzelnen, halb abgeblendeten Laterne lag die Achterkajüte im Dunkeln, so daß die See vor den salzverkrusteten Fenstern drohend nahe und gierig wirkte.
Die Tür ging auf und gab Alldays Silhouette frei.
»Was ist los?« Also konnte auch Allday nicht schlafen.
»Der Wind hat gedreht, Sir.«
»Und aufgefrischt?«
»Ja. Er kommt jetzt aus Nordost.« Das klang bedrückt.
Bolitho dachte über die neue Lage nach. Mit einem Wechsel der Windrichtung hatte er gerechnet, aber daß der Wind bis Nordost herumgehen würde, war undenkbar gewesen. Für ihre heimliche Annäherung blieben ihnen nur noch einige wenige Stunden, und bei dieser Windrichtung konnten sie praktisch nur kriechen. Das bedeutete möglicherweise einen Angriff bei vollem Tageslicht dann aber wurde jedes feindliche Schiff im Umkreis vieler Meilen rechtzeitig alarmiert und konnte zum Gegenangriff übergehen.
»Meine Kleider!« Bolitho erhob sich und spürte das Deck unter seinen Füßen bocken, als spotte die See seiner Pläne.
»Ozzard kommt gleich«, sagte Allday. »Ich habe ihm schon Bescheid gesagt, als ich hörte, wie Sie sich herumwarfen. Diese Chaiselongue ist kein Platz zum Schlafen.«
Bolitho wartete, bis Allday die Blenden der Laterne etwas angehoben hatte. Das ganze Schiff war verdunkelt, selbst das Kombüsenfeuer gelöscht. Es hätte das Maß voll gemacht, wenn ausgerechnet aus dem Admiralsquartier der verräterische Lichtschein gekommen wäre.
Dann roch er Kaffeeduft und sah Ozzards schmächtige Gestalt auf sich zukommen.
Der Steward murmelte: »Habe mir erlaubt, noch Kaffee zu kochen, ehe das Feuer gelöscht wurde, Sir. Die Kanne habe ich in eine Decke gewickelt und warm gehalten.«
Dankbar schlürfte Bolitho den Kaffee, aber im Geiste arbeitete er schon verschiedene Alternativen aus. Umkehren konnte er nicht, selbst wenn er gewollt hätte. Browne mußte inzwischen beim Turm angekommen sein oder tot inmitten seiner Freiwilligen liegen.
Egal, was passierte, er würde den Angriff nicht abblasen, das wußte er, obwohl ihm seine vieldeutig abgefaßten Befehle bis zur letzten Minute Spielraum ließen.
Bolitho schlüpfte in seinen Rock und ging zur Tür. Das Warten
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