Admiral Bolithos Erbe
Kundschafter voraus, aber bißchen plötzlich.«
Noch ein paar hastig geflüsterte Abschiedsworte, dann stieß das Boot wieder ab und strebte so schnell es konnte der offenen See zu.
Browne stand stockstill und lauschte dem Wind, dem Gurgeln der kleinen Wellen auf dem festen Sand. Mit gezogenem Säbel kam Searle zurück.
»Alles klar, Oliver?« Im Dunkeln leuchteten seine Zähne hell.
»Sie wissen den Weg.«
Dann sah Browne den Felsen über sich aufragen: wie ein Kamelhöcker. Genauso hatte er ausgesehen, als er hier mit Bolitho stand. Searle hatte die Männer des Stoßtrupps selbst ausgewählt, zwei fähige Kanoniere und vier der schlimmsten Galgenvögel, die Browne je vor Augen gekommen waren. Nach Searles Worten waren sie aus mehr als einem Kerker entsprungen, und Browne glaubte ihm das unbesehen.
Neben einem Riedgrashügel pausierten sie, bis Browne leise sagte: »Hier vorn beginnt der Fußweg.«
Seine Ruhe überraschte ihn selber. Er hatte gefürchtet, daß ihn Mut und Entschlossenheit verlassen würden, wenn das Schiff und die vertrauten Gesichter erst hinter ihm zurückblieben.
Aber er hätte sich nicht sorgen müssen.
Searle flüsterte: »Moubray, du kletterst dort hinauf und bleibst als Nachhut bei Nicholl Garner.«
Die restlichen Seeleute und die beiden Kanoniere stapften den Pfad hinauf und schnauften wie Grubenpferde unter der Last ihrer Pulversäcke und Waffen.
Es ging steiler bergan, als Browne in Erinnerung hatte. Oben ließen sie sich erst einmal ins nasse Gras fallen, um wieder zu Atem zu kommen und sich zu orientieren.
»Seht ihr diesen hellen Fleck dort?« fragte Browne leise. »Das ist die Festungsmauer. Falls keine neuen Gefangenen eingeliefert wurden, sollte die Wachmannschaft ziemlich nachlässig sein. Unser Ziel liegt rechts davon. Hundert Schritte und dann um einen runden Hügel.«
Der Kanonier namens Jones hob warnend die Hand. »Was ist das?« Er lauschte.
Alle erstarrten, bis Browne flüsterte: »Das sind Pferde. Eine Nachtpatrouille der Kürassiere, von denen ich Ihnen erzählt habe. Sie bleiben auf der Straße.«
Zum Glück verschmolzen die dumpfen, langsamen Hufschläge bald mit den anderen Geräuschen der Nacht.
Searle erhob sich. »Weiter!« Mit seinem Säbel gab er die Richtung an. »Und daß mir keiner stolpert! Wessen Waffe unabsichtlich losgeht, dem schlage ich persönlich den Kopf ab!«
Browne merkte, daß er noch lächeln konnte. Searle war erst zwanzig, aber er hatte die bullige Selbstsicherheit eines alten Kämpen.
Sie brauchten länger als erwartet, und Browne fürchtete allmählich, daß sie zu weit nach rechts abgekommen waren.
Zu seiner großen Erleichterung hörte er jedoch Nicholl, der ihnen vorausging, bald angestrengt flüstern: »Da ist sie, Sir! Recht voraus!«
Sie warfen sich alle zu Boden, während Browne und Searle die schwach erkennbaren Umrisse der Kirche studierten.
»Das Portal ist auf der anderen Seite, nach der Straße zu.« Browne zwang sich, bewußt an die nächsten Minuten zu denken.
Vielleicht waren sie alles, was ihm noch vom Leben blieb. Was erwartete er denn? Die Sache war notwendig, aber für ihn und die anderen bedeutete sie den fast sicheren Tod. Er lächelte in sich hinein. Wenigstens bekam sein Vater vielleicht doch noch eine bessere Meinung von ihm.
Er sah die anderen an. »Fertig?«
Alle nickten, manche bleckten die Zähne wie Hunde an der Leine.
Eng an die Kirchenmauern gedrückt, schlichen sie um das Gebäude herum zur anderen Seite. Alles blieb so still, als seien sie die einzigen Menschen auf der Welt. Nur die Seebrise strich flüsternd durchs Gras, und ab und zu quietschte einer ihrer Schuhe.
Ein Mann schrie erstickt auf, als ein Vogel dicht vor seinen Füßen aufflatterte und krächzend in der Dunkelheit verschwand.
»Verdammter Mist!« fluchte Searle.
»Ruhe!« Browne preßte sich an die Mauer und erwartete, einen fragenden Anruf oder einen Schuß zu hören.
Als nichts geschah, drückte er sich entschlossen von der Wand ab und spähte an dem viereckigen normannischen Kirchturm empor, dessen Silhouette sich schwach vom Himmel abhob. Aus einem schmalen Fensterschlitz weiter oben fiel ein Lichtschimmer.
Mit Mühe zwang er seine rasenden Gedanken zur Ruhe und versuchte, sich zu erinnern, was er über diese optischen Telegraphen erfahren hatte. In England wurden sie in der Regel von vier bis fünf Männern betrieben: einem Offizier, einem Unteroffizier und zwei bis drei Seeleuten. Da dieser hier in der
Weitere Kostenlose Bücher