Admiral Bolithos Erbe
er. »Und
Odi
n
ist dafür genau das richtige Schiff.«
Bolitho mußte lächeln; dieser zuverlässige, vertrauenswürdige Mann würde niemals einen seiner Befehle in Frage stellen.
Die Tür ging auf, und Midshipman Stirling quetschte sich in den Kartenraum. Selbst im schwachen Laternenlicht fiel auf, daß er müde aussah und seine Augen rotgeädert waren.
»Bitte um Entschuldigung für meine Verspätung, Sir«, stotterte er.
»Ich habe verlernt, so tief zu schlafen«, meinte Bolitho, an Inch gewandt.
Inch wandte sich zum Gehen. »Ich lasse das Nachtsignal an
P
h
alarop
e
absetzen, Sir. Hoffentlich ist sie bei Tagesanbruch auch wirklich noch da!«
Bolitho beugte sich über die Seekarte und studierte die sauber geschriebenen Kursangaben und -linien. Gewiß, sein Plan barg ein großes Risiko. Aber schließlich war das immer so gewesen.
Selbst jetzt noch konnte sich alles gegen sie verschwören, ehe sie überhaupt in Landnähe kamen. Ein einsamer Fischer mochte es mit dem Wetter und dem Zorn einer französischen Patrouille aufnehmen, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, und zufällig das abgeblendete Lichtsignal sehen, das jetzt an
Phalarop
e
gegeben wurde.
»Verdammt noch mal!« explodierte Bolitho. »Der Zweifel bringt mehr Seeleute um als der Feind!«
Stirling warf hastig einen Blick in die Runde. Inch und der Master hatten den Kartenraum verlassen, der Admiral sprach mit
ihm.
Unsicher fragte er: »Könnten die Franzosen uns noch daran hindern, in die Bucht einzulaufen, Sir?«
Erstaunt sah Bolitho ihn an; ihm war nicht klar gewesen, daß er laut gesprochen hatte.
»Sie können es jedenfalls versuchen, Mr. Stirling.« In einem plötzlichen Einfall gab er dem Jungen einen Klaps auf die Schulter.
»Kommen Sie, begleiten Sie mich. Ich muß ein Gefühl für dieses Schiff bekommen.«
Stirling erglühte vor Stolz. Nicht einmal die Tatsache, daß Bolitho unwissentlich seinen verletzten Arm gepackt hatte, konnte die Bedeutung des Augenblicks für ihn schmälern.
Allday, in dessen Gürtel jetzt ein neues Entermesser steckte, sah sie vorbeigehen und mußte trotz seiner trüben Gedanken grinsen.
Der Knabe und sein Held. Aber warum auch nicht? Es war ein Tag, an dem sie alle ihre Helden dringend brauchen würden.
»Der Wind steht durch, Sir!«
Bolitho trat zu Inch an die Querreling und spähte über das schwach erkennbare Deck nach vorn. Jenseits des Vorschiffs, das sich gerade zu drehen begann, weil die Rahen so dicht angebraßt wurden, daß sie fast mittschiffs standen, sah er nicht das geringste. Dabei war er eigens an Deck geblieben, damit seine Augen sich besser an die Dunkelheit gewöhnten, damit er sofort den ersten Schimmer des nahenden Tages bemerkte, die Trennlinie zwischen See und Himmel. Und das Land.
Das Schiff stampfte schwerfällig in der ablandigen Strömung; die Seesoldaten zurrten ihre Hängematten in den Netzen an der Reling noch einmal fester: ihre einzige Deckung und die Auflage für ihre Musketen, wenn sie später nach einem Ziel suchen würden.
Auf den Seitendecks, unter denen jede Kanone geladen und schußbereit wartete, ging ab und zu eine Gestalt hin und her. Andere enterten auf, um die Kettenschlingen um die Rahen und die schützenden Netze ein letztes Mal zu trimmen, um noch einen Sack mit Schrotkugeln für die Drehbassen im Krähennest hochzuhieven oder um eine letzte durchgescheuerte Leine zu spleißen.
Bolitho hörte und sah das alles. Und was er nicht sehen konnte, vermochte er sich leicht auszumalen. Wie all die Male zuvor spürte er Spannung, die ihm wie mit stählernem Griff das Herz zusammenpreßte, und die Furcht, doch noch irgend etwas übersehen zu haben.
Das Schiff hielt sich hervorragend. Inch hatte sich als ausgezeichneter Kommandant erwiesen, und Bolitho mochte es selbst nicht glauben, daß er ihm vor langer Zeit nicht mehr als das Leutnantspatent zugetraut hatte. Bolitho konnte es nicht verhindern, daß seine Gedanken abschweiften. Zu dem jungen Travers unten auf dem Batteriedeck, der nach ihrer Rückkehr Hochzeit halten wollte; jetzt wartete er wie alle seine Männer darauf, daß sich die Stückpforten in ihrem rot angestrichenen Höllenloch öffneten und die Kanonen zu brüllen begannen. Und Inch, der mit wehenden Rockschößen auf dem Achterdeck hin und her marschierte, während er – den Hut mit kesser Schlagseite fest aufs Haupt gedrückt – mit seinem Ersten Offizier und dem Master plauderte. Inch hatte daheim in Weymouth eine Frau, Hanna, und zwei
Weitere Kostenlose Bücher