Admiral Bolithos Erbe
gegen wen er kämpft. Deshalb setzen Sie die Reserveflagge, wenn die erste weggeschossen werden sollte.«
Allday studierte Bolithos Gesicht und wunderte sich nicht zum erstenmal über sein Geschick, die Leute um ihn herum mit einem Blick, einem Wort in Begeisterung zu versetzen. Trotzdem überfiel ihn plötzlich bange Sorge, und er fragte sich, ob Bolitho für diese trotzige Geste nicht einen zu hohen Preis würde zahlen müssen.
Fahles Gold ließ die Hügelkämme der fernen Küste aufleuchten, und kurz danach rief Inch triumphierend: »Wir sind an dem französischen Geschwader vorbei, Sir!« Bolitho warf Allday einen Blick zu und lächelte. Von ihm wenigstens fühlte er sich verstanden. Dann sagte er: »Also gut, Kapitän Inch. Lassen Sie die Kanonen ausfahren, wenn Sie soweit sind.«
Ein zerstobener Traum
Leutnant Searle stand auf der langen Leiter und spähte zu dem komplizierten Arrangement aus Flaschenzügen und Blöcken auf, das vom Dach herabhing. Offenbar gehörte es zu der Metallstruktur oben auf dem Turm, dem Semaphor. Er rief nach unten: »Kein Wunder, Oliver, daß sie für diese Arbeit Seeleute brauchen. Keine Landratte könnte diese Wulings jemals entwirren.« Er tätschelte die feuchten Mauersteine und verzog das Gesicht. »Wir brauchen eine mordsgroße Sprengladung, wenn wir den ganzen Turm umlegen wollen.« Browne starrte zu ihm hoch. »Den ganzen Turm?«
Searle winkte schon den einen seiner beiden Sprengmeister heran. »Hier hinauf, Jones! Aber ein bißchen schnell, Mann!« Zu Browne gewandt fuhr er fort: »Diese Kirche hat Mauern, so dick wie eine Festung. Was glauben Sie, wie lange die Franzosen brauchen würden, um neue Signalarme zu installieren?«
Searle sprang auf die Plattform und rief zu seinem Sprengmeister hinunter: »Pack die Ladung fest unter die Treppe an der Außenwand. Das sollte reichen.« Als der andere schwieg, fuhr er ihn an: »Oder nicht?«
Jones rieb sich das Kinn und warf einen schrägen Blick auf die Falltür über ihm.
»Ich schätze schon, Sir.«
Damit kletterte er wieder hinunter und besprach sich mit seinem Kameraden am Fuß der Leiter.
»Alberner Narr!« Searle stieß die Falltür auf. »Macht sich in die Hosen, bloß weil’s eine Kirche ist! Man könnte meinen, wir hätten’s plötzlich mit lauter Heiligen zu tun.«
Sowie Searle durch die Falltür nach oben verschwunden war, folgte ihm Browne ins Freie, wo ihn sofort ein eisiger Wind empfing.
Aber Searle kochte immer noch. »Die Kirche hat mehr Sünden begangen als alle Seeleute zusammen, wette ich.«
»Für einen so jungen Mann sind Sie sehr zynisch.«
Browne trat zu einer Schießscharte und starrte auf die See hinaus. Noch konnte er sie in der Dunkelheit nicht sehen, aber er roch ihren scharfen Salzgeruch; die Mauerkrone war dick besät mit Möwendung.
Hinter sich hörte er Searle leise auflachen. »Mein Vater ist Pastor – ich weiß Bescheid.«
Von unten drang das dumpfe Poltern herauf, mit dem ein Körper über Stufen geschleift wurde, und Browne erinnerte sich daran, daß der französische Seemann nicht einmal eine Waffe getragen hatte, als er von Cooper niedergemacht worden war. Dann fielen ihm die neugierigen Blicke der Franzosen ein, die die Straße gesäumt hatten, auf der sie als Gefangene abtransportiert worden waren. Warum hätten sie auch mit dem Schlimmsten rechnen sollen? Genausowenig würde ein Engländer im Norden oder Westen des Landes erwarten, plötzlich vor einem Franzosen zu stehen.
»Sir!«
»Nicht so laut!« Searle warf sich hin und spähte durch die Falltür hinunter. »Was ist los?«
»Da kommt jemand!«
Browne lief schnell zu einer anderen Schießscharte, die über dem Eingang zum Turm liegen mußte, und spähte hinunter. Ein Pfad aus helleren Steinen führte auf die Tür zu, und noch während er hinsah, glitt eine Gestalt heran; gleich danach erklang ein metallisches Klopfen.
»Hölle und Teufel!« Searle hastete die Leiter hinunter. »Der kam schneller als gedacht!«
Browne folgte ihm zum oberen Ende der Steintreppe und hörte Searle unten schon kommandieren: »Scharr mit den Füßen, Moubray! Und du machst die Tür auf, wenn ich dir ein Zeichen gebe!«
Browne hielt sich an der Leiter fest und wagte kaum zu atmen. Nach der Dunkelheit auf dem Dach wirkte die Szene vor der Tür grell und dramatisch. Searles Breeches hoben sich sehr weiß von den alten Steinen der Mauer ab; neben ihm scharrte Moubray mit den Füßen, als schlurfe er auf die Tür zu. Dann drehte sich der
Weitere Kostenlose Bücher