Adorkable - Zwei, die sich hassen und lieben
Litschisaft waren definitiv dominanter.
Wenn ich mich nicht gerade vollstopfte oder betrank, hatte ich meinen Kopf auf Michaels Schulter gelegt und wir fotografierten uns mit meinem iPhone. »Hier erkennt man dich gar nicht«, sagte ich zu Michael, als wir uns durch die Fotos scrollten. »Da ist nur dein linkes Nasenloch und dein Mund drauf. Schade eigentlich, weil ich da so super aussehe.«
»Na ja, in dem Fall finde ich es völlig okay, wenn du es twittern möchtest«, sagte Michael liebenswürdig. Er war noch immer lächerlich guter Laune, und wir hatten uns schon mindestens eine Stunde nicht gestritten, was an eine persönliche Bestleistung grenzte. Er hatte auf der Party herumlaufen wollen, aber ich war der Meinung gewesen, dass, wenn man an einer Stelle blieb, früher oder später jeder, mit dem man gerne sprechen wollte, zu einem kommen würde. Irgendwann kamen tatsächlich Adam undKai, die beiden Jungs aus San Francisco, die sich mit künstlicher Intelligenz und Hunderttausenden Dollar von Startkapital beschäftigten, zu uns herüber.
Während ich die Peachy Lychees nur so runterkippte, waberte über meinem Kopf die Unterhaltung der drei über menschliche Chromosomensätze und DNA und irgendein Computerspiel namens Grand Theft Auto , während ich mich damit amüsierte, Fotos von den japanischen Kanapees zu machen und sie auf Twitter zu veröffentlichen. Dann boten die beiden Michael für den nächsten Sommer ein Praktikum in Palo Alto an. Von diesem Zeitpunkt an konnte ich in Michaels Augen gar nichts mehr falsch machen.
Allerdings kippte er den Sake nur so runter, obwohl er widerlich schmeckte. Irgendwie hatten wir beide unseren Verstand wohl nicht mehr ganz beieinander, vielleicht weil wir so angespannt gewesen waren und dann die gute Laune einsetzte, was ja immer so ist, wenn die Spannung nachlässt, und es war auch eine Menge Alkohol im Spiel und noch mehr Kuscheln und Streicheln und vielleicht auch ein bisschen Knutschen in den Pausen zwischen den Besuchern an unserem Tisch. Das alles zusammen führte dazu, dass meine Urteilsfähigkeit sich langsam bewölkte wie der Himmel an einem kalten, nebligen Novembertag. Ich will das nur mal erwähnen …
Was ich dann aber zu Michael sagte, war: »Also ist das okay für dich, wenn ich dieses Foto auf Twitter poste, ja?«
»Klar, warum nicht?« Michael winkte lässig ab, um seinem völlig gleichgültigen Einverständnis Nachdruck zu verleihen. »Ich glaube, die meisten Leute sind sowieso eher auf Facebook als auf Twitter.«
In kurzer Zeit würde Twitter von den LOLs und ROFLs spießiger Vorstädter überschwemmt werden, aber ich war mir ziemlich sicher, dass mir niemand aus der Schule auf Twitter folgte, und schließlich sprachen wir hier nur von einem echt, echt süßen Foto von mir und seinem Nasenloch und seinem Mund. Ich twitterte es, dann murkste auch Michael – um in der virtuellen Welt nur ja nicht hinter mir zurückzustehen – noch kurz auf seinem antiken Blackberry herum, und dann konnten wir endlich mit dem Knutschen weitermachen, bis der Kellner einen neuen Schub japanische Schinken-Muschel-Röllchen vorbeibrachte.
28
Ich glaube nicht, dass Jeane in den anderen sechs Nächten, in denen wir miteinander geschlafen hatten, überhaupt ein Auge zugemacht hatte. Ihre Aufmerksamkeit klebte immerzu an irgendeiner Art von elektronischem Gerät, als ich einschlief. Wenn ich dann Stunden später aufwachte, war sie schon wieder dabei, ihren Blog-Feed zu scannen.
Doch als ich am Sonntagmorgen um acht Uhr erwachte, schlief Jeane tief und fest. Und wie sie schlief: Sie lag auf der Seite, die Decke eng an sich geklammert. Sie hatte ihr Make-up am Abend zuvor nicht mehr entfernt, und so war das Kissen übersät von Glitter und schwarzen Flecken und sie schnarchte ganz leicht. So ruhig hatte ich sie noch nie gesehen, und ich brachte es nicht übers Herz, sie zu wecken.
Obwohl es in ihrer Rede ein paar außerordentlich fiese Kommentare gegeben hatte, war Jeane im Großen und Ganzen super gewesen, und sie hatte mich diesen beiden Typen aus San Francisco mit der Künstlichen-Intelligenz-Sache vorgestellt und sie dazu gebracht, dass sie mir ein Praktikum anboten.
Außerdem hatte sie die ganze Nacht diese ekelhaften Cocktails mit Pfirsicharoma runtergekippt, die hauptsächlich aus Wodka bestanden. Ich wechselte von Sake auf Softdrinks, damit ich aufsie aufpassen konnte, aber es stellte sich heraus, dass Jeane als Betrunkene fröhlich und süß war, und so war das
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